Das Karpatenschloß
Versprechen ganz er-
füllt hatte, wollte er den Weg nach Werst wieder einschla-
gen, wo die beiden Männer noch vor der Mittagsstunde ein-
treffen konnten.
Was den Doktor angeht, so glich dieser zunächst jedoch
nur einer leblosen Maschine ohne die Kraft, ja ohne den
Willen zu irgendwelchem Widerstand. Er ging, wohin man
ihn gerade stieß; fiel er zur Erde, so hätte er sich nicht wie-
der zu erheben vermocht. Die Erscheinungen der vergange-
nen Nacht hatten seine Hirntätigkeit offenbar völlig lahm-
gelegt; so erhob er auch nicht den leisesten Widerspruch, als
der Förster nach dem Schloß zeigte und sagte: »Nun vor-
wärts!«
Und doch war’s jetzt schon heller Tag und der Doktor
hätte Werst sicher wieder erreichen ohne die Befürchtung
können, sich in den Waldmassen des Plesa zu verirren. Daß
er trotzdem bei Nic Deck ausharrte, war ihm aber nicht
etwa als Verdienst anzurechnen. Wenn er seinen Gefährten
nicht verließ, um in das Heimatdorf zu flüchten, dann lag
das daran, daß ihm das Bewußtsein der Sachlage fehlte, daß
er nur noch ein Leib ohne Seele war. Auch als ihn der Forst-
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mann nach der äußeren Böschung des Wallgrabens zerrte,
ließ er ihn ruhig gewähren.
Nic Deck wollte jetzt zunächst ausspähen, ob es möglich
war, in die Burg anders als durch das Ausfallstor zu gelan-
gen, und von wo aus das am leichtesten ausführbar erschien.
Die Zwischenmauer der Bastionen zeigte keine Bresche,
keine eingestürzte Stelle, nicht einmal eine Spalte, die Zu-
gang zu dem Raum hinter der Umfassung gewährt hätte. Es
war wirklich überraschend, die alten Mauern so ausgezeich-
net erhalten zu finden, was sie wohl nur ihrer außerordent-
lichen Dicke zu verdanken hatten. Bis zu dem sie krönenden
Zinnenrand hinaufzuklettern, erschien ganz unausführbar,
da sie mindestens 40 Fuß über die Grabensohle emporrag-
ten. Es gewann also den Anschein, als ob Nic Deck jetzt, wo
er bis zum Karpatenschloß vorgedrungen war, auf ganz un-
überwindbare Hindernisse stoßen sollte.
Zum Glück – oder eigentlich recht zum Unglück für
ihn – befand sich über dem Ausfallstor eine Art Schieß-
luke, oder vielmehr ein Mauereinschnitt, durch den frü-
her die Mündung einer Feldschlange herausgeblickt haben
mochte. Benützte er nun eine der Zugbrückenketten, die bis
zum Erdboden herabhingen, dann konnte es für einen kräf-
tigen, geschmeidigen Mann nicht besonders schwierig sein,
bis zu jenem Ausschnitt emporzuklimmen. Dessen Breite
genügte offenbar, sich hindurch zu zwängen, und wenn er
nicht an der Innenseite durch ein Eisengitter verschlossen
war, mußte Nic Deck auf diesem Weg in den Burghof ge-
langen können.
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Der Förster durchschaute auf den ersten Blick, daß er gar
nicht anders zu seinem Ziel gelangen konnte, und so stieg
er denn, mit dem ganz bewußtlosen Doktor hinter sich, auf
dem schiefem Fußpfad die äußere Böschung des Wallgra-
bens hinunter.
Bald hatten beide den mit Steinen, die unter wuchern-
dem Unkraut lagen, bedeckte Sohle des Grabens erreicht.
Allerdings wußten sie kaum, worauf ihre Füße standen und
ob nicht unzähliges giftiges Getier aus dem Pflanzengewirr
der feuchten Aushöhlung hervorbrechen würde.
In der Mitte des Grabens und parallel mit der Verbin-
dungsmauer verlief der alte Abzugskanal, der jedoch jetzt
fast ausgetrocknet und somit ohne große Anstrengung zu
überspringen war.
Nic Deck, der nichts an geistiger und körperlicher Ener-
gie eingebüßt hatte, ging gewohnt kaltblütig vor, während
der Doktor ihm maschinenartig folgte, wie ein Tier, das
man am Strick hinter sich nachzieht.
Nachdem sie über den Abzugskanal gelangt waren,
ging der Förster etwa 20 Schritte weit am Fuß der Verbin-
dungsmauer entlang bis dicht unter das Ausfallstor, zu der
Stelle, wo das Ende der gesehenen Kette herabhing. Unter
Benutzung der Hände und der Füße mußte er hier leicht
den Steinsims erreichen können, der unter dem Mauerein-
schnitt ein Stück hervorsprang.
Nic Deck hatte offenbar nicht die Absicht, auch Doktor
Patak zu dieser Kletterübung aufzufordern; einem so schwe-
ren Männchen wäre das unmöglich gewesen. Er begnügte
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sich also damit, ihn kräftig zu schütteln, um sich ihm deut-
lich verständlich zu machen, und empfahl ihm, sich hier un-
ten im Graben mäuschenstill zu verhalten.
Dann begann Nic Deck – für seine Gebirgsbewohner-
muskeln nur ein
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