Das Karrieremacherbuch
Best-Practice-Beispiel.
Finanzielle Sicherheit macht flexibel
Im niedrigen Lohnbereich zahlt der dänische Staat Arbeitslosen fast 90 Prozent vom letzten Netto, Normal- und Besserverdienende bekommen wie bei uns 60 Prozent. Anders als in Deutschland ist die Zahlung von Arbeitslosengeld aber nicht an eine kurze Dauer gekoppelt. Arbeitslose können innerhalb von sechs Jahren bis zu vier Jahre Arbeitslosengeld beziehen. Es droht nicht bereits nach zwölf Monaten der soziale Abstieg in ein »Hartz IV«, das gute (Arbeitslosengeld I) und schlechte (Arbeitslosengeld II) Joblose separiert.
Obwohl die Bedingungen in Dänemark mit einem hohen Exportanteil und der Konzentration auf die Wissensarbeit ähnlich sind wie bei uns, betrug die Arbeitslosenquote in Dänemark jahrelang zwischen 2,5 und 4 Prozent. Sie ist, wie überall, im Zuge der Wirtschaftskrise gestiegen, allerdings auf sehr moderatem Niveau. Dänen, so sagte mir eine Dänemark-Expertin, fühlen zwar die Wirtschaftskrise deutlich, doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Seit dem niedrigen Stand von 1,6 Prozent im Sommer 2008 liegt die Quote derzeit bei 2,5 Prozent (April 2009).
Dies kommt einerseits, weil Skandinavien ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Export und Inlandsgeschäften hat, was die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt begrenzt. Es liegt aber andererseits auch daran, dass in Dänemark so schnell eingestellt werden kann wie wieder entlassen. Wenn man sich für einen Mitarbeiter entschieden hat, wartet man nicht auf den Jüngsten Tag, an dem der Traumbewerber den Bewerbungsweg entlangschreitet, wie es bei uns oft der Fall ist. Eine gewisse Buntheit im Lebenslauf ist gemeinhin akzeptiert. Deshalb bekommen dänische Berufseinsteiger auch seltener die Lebenslaufkrankheit und haben kein schlechtes Gewissen oder Angst um den »roten Faden«, wenn sie drei Jobs in fünf Jahren hatten.
Es stört Dänen auch weniger, wenn sie übergangsweise unterhalb der eigenen Qualifikation gearbeitet haben. Deutschen fällt das schwer. Hier herrscht die Einstellung: Nur auf dem eigenen Qualifikationsniveau, sonst lieber arbeitslos. Und dabei wird das Qualifikationsniveau oft höher angesetzt, als es eigentlich ist. Viele überschneiden sich.
Azubi = Bachelor?
Dies mag auch damit zu tun haben, dass es in Deutschland – wie übrigens auch in Dänemark – eine Bildungsstufe gibt, die andere Länder gar nicht kennen: die duale Ausbildung. Im angloamerikanischen Sprachraum gibt es das nicht, dort ist jede Ausbildung schulisch. Es ist dort auch gar nicht Aufgabe der Wirtschaft auszubilden. Der duale Zugang zum Arbeitsmarkt ist sicher mit ein Grund für die im internationalen Vergleich hohe deutsche Bindung an Arbeitgeber und die langen Betriebszugehörigkeiten. Die duale Ausbildung macht allerdings auch die Vergleichbarkeit der Abschlüsse sehr schwer. Ich habe einmal mit einer amerikanischen Personalberaterin über die Übersetzung des Wortes »Lehre« gesprochen. Sie empfahl, den Abschluss auf eine Stufe mit dem Bachelorabschluss zu stellen. Ob man dies nun machen kann oder nicht, sei dahingestellt. »Ich muss doch besser eingestuft werden als ein Industriekaufmann«, sagen sich etwa Bachelorabsolventen in Betriebswirtschaftslehre. De facto buhlen aber beide um die gleiche Ebene, wenn Unternehmen keine neuen Stellen schaffen (was meist kaum Sinn macht). Dies führt indirekt dazu, dass sich deutsche Akademiker zu hoch qualifiziert für Positionen fühlen, die bei uns für Angestellte mit Lehre ausgeschrieben sind. Dabei wäre das Niveau des Bachelorabschlusses letztendlich vergleichbar mit dem einer Lehre.
Auch umgekehrt, auf Unternehmensseite, gibt es Berührungsängste. Dort werden Bewerber mit abgeschlossener Lehre gegenüber Bachelorabsolventen oft bevorzugt, oder dem Bachelor wird der Zugang zu Stellen auf dem Niveau der Ausbildung erschwert. Es gibt wenige Ausnahmen. So entsteht beim Angebot eine Lücke: Für die eine Hälfte der Positionen ist ein Bachelor »zu wenig«, für die andere Hälfte zu viel. Das wirkt sich bisher kaum positiv für die Bachelorabsolventen aus. Einige Experten wie etwa Gerhard Bosch, Arbeitsmarktexperte an der Universität Duisburg, warnen sogar davor, dass sich die Akademiker auch in bisher nicht-akademischen Bereichen durchsetzen und die Ausbildungsberufe verdrängen könnten. 58
Warum? Auch das zeigt Dänemark, wo der 1997 eingeführte Bachelor nach wie vor umstritten ist. In Dänemark haben sich die höheren akademischen Abschlüsse,
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