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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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einen qualvollen Tod.
    Jimena fragte sich später oft, ob sie etwas hätte tun können, um das Schicksal von seinem Weg abzubringen. Hätte sie früher auf Isabel und damit auf Villena oder Carrillo einwirken sollen, Ávila zu verlassen? Hätte es etwas genutzt? Wäre er dann verschont geblieben?
    Doch wie hätte das gehen sollen? Seit sie Isabel als Kind zum ersten Mal gesehen hatte, wusste sie mit einer Sicherheit, die ihr Angst machte, dass sie den Thron besteigen und eine große Herrscherin werden würde. Aber schloss das nicht mit ein, dass Alfonso sterben musste?
    Er hätte ebenfalls enterbt werden können, wie Juana, La Beltraneja. Aber aus welchem Grund? Weil er nicht der leibliche Sohn Juans II. war? Das war lächerlich. Vielleicht, weil Isabel die Ältere war? In Kastilien waren – anders als beim Nachbarn Aragón – Infantinnen nicht aus der Erbfolge ausgeschlossen. Dennoch kamen auch die Prinzessinnen in Kastilien nur dann zum Zug, wenn es keinen männlichen Thronerben gab.
    Jimena seufzte. Sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte, für Alfonso war am Ende immer ein früher Tod zu erwarten. Das Schicksal hatte so entschieden.
    Und dennoch fühlte sie sich ein wenig schuldig. Allein ihres Wissens wegen.
    Isabel reagierte gefasst auf die Nachricht vom Tod ihres Bruders. Sie hatte sich vermutlich in den vergangenen Tagen mit dem Unabwendbaren abgefunden. Nun stand sie da, mit trockenen Augen, den Rücken durchgedrückt, das Haupt hoch erhoben.
    »Möge der Herr im Himmel seiner Seele gnädig sein«, sagte sie mit fester Stimme und tröstete dann Beatriz, der die Tränen über die Wangen rannen. Jimena war es, als könne sie eine Krone auf Isabels Haupt schimmern sehen. Ja, das war eine Königin, die vor ihr stand und den Schlag des Schicksals mit Würde und Stärke ertrug. Es würde nicht der letzte sein, den sie erdulden musste, und noch viele Jahre würde sie an der Härte der Welt wachsen müssen. Jimena unterdrückte den Impuls, auf die Knie zu sinken und Isabel die Hand zu küssen, doch zu ihrer Überraschung trat Teresa heran, um genau das zu tun.
    Isabel nahm die Huldigung mit einem freundlichen Lächeln entgegen und zog dann Teresa in ihre Arme. »Wir werden dennoch immer Freundinnen sein«, sagte sie und küsste sie auf beide Wangen.
    Beatriz sah ein wenig verwirrt von einer zur anderen, dann verstand sie.
    »Du bist jetzt Thronerbin«, hauchte sie. »Isabel, du wirst Königin von Kastilien!«
    Isabel nickte mit entschlossener Miene. »Ja, so ist es, und ich schwöre dir, ich werde nicht zusehen, wie das Schiff weiterhin auf den Abgrund zusteuert. Ich werde das Ruder herumreißen und dem Land Frieden und Wohlstand schenken.«
    »Und wie willst du das anstellen?«, erkundigte sich Beatriz neugierig, doch Isabel schwieg, vermutlich, weil sie darauf noch keine Antwort wusste.
    »Ich werde alles anders machen als Enrique«, sagte sie nur leise und ließ sich dann ihre Trauerkleidung anlegen, um am Sarg von ihrem Bruder Abschied zu nehmen.
    Es wunderte keinen, dass nun, nachdem keine weiteren Krankheitsfälle in Ávila gemeldet worden waren, der Erzbischof von Toledo keine Zeit verlor und die Abgeschiedenheit seines Landguts aufgab, um nach Ávila zu reisen. Zwei Wochen nach Alfonsos Tod traf er mit großem Gefolge ein, stolz wie immer und verschwenderisch gekleidet. Er ließ Isabel sogleich zu sich rufen. Doch die Prinzessin nahm sich Zeit, ließ sich erst umkleiden und schritt dann gemächlich mit ihren Damen hinunter in den Saal, um den Primas von Kastilien zu begrüßen.
    Er lächelte, denn er verstand sehr wohl, was sie ihm damit sagen wollte. Ja, er ließ sich sogar herab, den Kopf zu neigen, ehe er ihr seinen Ring zum Kuss reichte.
    »Nun, serenísima Infante, durchlauchtigste Infantin?«, sagte er mit einem provozierenden Blick und lachte auf, als er das Aufblitzen in ihren Augen sah. »Entschuldigt, Hoheit, ich meine natürlich Princesa y Primera Hererera, oder wäre es Euch lieber, wenn ich Euch mit Majestad ansprechen würde oder mit Reina Isabel?«
    Jimena nickte. Der Erzbischof verstand es, schnell auf den Punkt zu kommen. Darauf war er also aus. Wollte er die Farce von Ávila wiederholen und Enrique noch einmal symbolisch von seinem Thron stoßen, um dann ebenso widerrechtlich Isabel zu krönen? Reina Isabel – Königin Isabel – wie merkwürdig das klang!
    Aber Isabel hatte offenbar mit einem solchen Vorhaben gerechnet, denn sie zeigte keine Überraschung, als sie widersprach:

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