Das Kind, Das Nicht Fragte
als mir fällt, mit der Signora zu sprechen. Sie spricht von uns allen sogar am meisten, sie erzählt von ihrer neuen Übersetzung, von einigen Gästen in der Pension (lauter sehr Skurriles und Komisches, das die Signora immer wieder zum Lachen bringt) und von der Ernte auf ihrem Landgut (von dem ich inzwischen auch weiß, wer es zuerst als Landgut bezeichnet hat).
Wir haben uns vielleicht eine Stunde unterhalten, als die Signora (wiederum sehr plötzlich, ohne Ankündigung, mitten ins Gespräch hinein) sagt:
– Liebe Paula, Signor Merz hat mir eben gestanden, dass er sich gerne mit Ihnen verloben würde. Und zwar sofort, und zwar am besten hier und jetzt! Für mich wäre das eine große Freude. Tun Sie mir den Gefallen? Irgendwann werden Sie sich
sowieso verloben, da können wir es auch gleich hier und jetzt tun.
Ich glaube einen Moment, nicht recht gehört zu haben. Ich sitze stumm da, rege mich nicht und starre Paula an. Ich sehe, wie überrascht sie ist, sie fährt sich mit der Rechten durchs Haar, sie lacht verlegen und schüttelt den Kopf, als hätte sie gerade eine besonders gute Pointe in unserem Stück zu hören bekommen. ( Sizilianisches Leben kommt mir als Titel jetzt erheblich zu bieder vor, Cavalleria rusticana ist schon besser. Von wem ist diese Oper noch gleich? Von Mascagni, oder? Ja, von Pietro Mascagni. Und von wem ist die Geschichte, von wem ist der Text? Du meine Güte, die Signora hat mich bereits mit ihren Siciliana infiziert …)
– Paula, was ist denn los? Warum lachen Sie denn? Haben Sie zu dem mutigen und schönen Angebot etwa gar nichts zu sagen? fragt die Signora.
Paula lacht noch einen Moment, dann aber steht sie auf, und ich stehe ebenfalls auf, und die Signora steht auf, und ich weiß, dass ich mich nun zusammennehmen muss, um von meinen Gefühlen nicht überwältigt zu werden. Denn ich ahne, was Paula sagen wird, und dann höre ich es (und denke: Es ist nicht wahr, Benjamin, Du bist verrückt, es ist alles nur ein munteres, sizilianisches Spiel. )
– Beniamino, sagt Paula, ich freue mich sehr! Wir machen es so, wie Du es vorgeschlagen hast. Hier und jetzt, und sofort! Wir verloben uns, und die Signora ist unsere Zeugin.
Paula und ich – wir gehen aufeinander zu, und ich spüre wie in Trance, dass wir uns küssen. Wir umarmen und küssen uns, wir lassen gar nicht mehr voneinander. Und so bekommen wir auch nicht mit, dass die Signora kurz von der Terrasse verschwindet und uns allein lässt. Dann aber hören wir von drinnen eine leise Musik (ist das etwa Mascagni?), und die Tür zur Terrasse öffnet sich wieder, und die Signora kommt wieder zu uns heraus. Sie hält eine kleine dunkelrote Schachtel in Händen, sie öffnet sie, und wir sehen, dass sich in der mit Samt ausgelegten kleinen Schachtel ein Ring befindet.
– Hier ist der Verlobungsring, Kinder! sagt die Signora. Es ist ein Ring meiner Mutter, und es ist mein Beitrag zu diesem herrlichen Tag. Ich gratuliere Euch. Und nun, Signor Merz – oder darf ich Sie jetzt Beniamino nennen? –
– Ja natürlich, Signora, das dürfen Sie.
– Und nun nehmen Sie den Ring und schmücken Sie damit die Hand Ihrer Verlobten.
Ich tue genau, was sie sagt: Ich schmücke die Hand meiner Verlobten mit einem türkisfarbenen Stein (ist das etwa auch arabische Poesie des 12. Jahrhunderts? – ich habe so eine Vermutung). Darauf serviert die Haushälterin Champagner, und wir stehen nun zu dritt auf dieser weiten Terrasse, von der aus man über ganz Mandlica hinweg bis zum Meer schaut, und trinken ein Glas. Wir bleiben noch eine Weile, doch dann verabschieden wir uns und gehen in enger Umarmung den Weg hinunter in den Ort.
– Jetzt sagen wir es allen, sagt Paula, jetzt hören wir auf mit dem Versteckspiel.
– Ja, antworte ich, wir gehen in jede Bar an unserem Weg und trinken mit den Gästen ein Glas und sagen allen, dass wir uns eben gerade verlobt haben. Hast Du eigentlich von diesem Plan der Signora etwas gewusst?
– Nein, habe ich nicht. Und Du?
– Nein, ich auch nicht. Sie hat das Ganze geschickt geplant, sie hat uns einfach den letzten Anschub gegeben, damit wir es endlich hinter uns bringen.
– Ich vermute, sie hat es gemeinsam mit Alberto geplant, die beiden sind sehr enge Freunde.
– Ja, das könnte sein. Ich habe mit Alberto viel über das Thema Verlobung gesprochen.
– Hast Du? Und er hat davor gewarnt, stimmt’s?
– Ja, hat er. Aber ich glaube, es war eine Warnung pro forma, letztlich wollte er doch, dass
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