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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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an
Alex gerichtet.
»Ist es dir denn gleichgültig, daß wir dich gebeten haben, mit
auf das Begräbnis zu kommen?« hörte sie ihn sagen. »Daß es
uns viel bedeutet, wenn du bei dieser Gelegenheit an unserer
Seite bist?« Er schob seinen Stuhl zurück und verschränkte die
Arme. Ellen wußte, daß er schweigen würde, bis Alex ihm
irgendeine Antwort gab.
Alex saß da und dachte über die Frage nach, die sein Vater
ihm gestellt hatte.
Er hatte einen Fehler gemacht, das war klar, ebenso wie er
an jenem Abend Lisa gegenüber einen Fehler gemacht hatte. Er
konnte am Gesicht des Vaters ablesen, daß dieser zornig auf
ihn war. Er mußte jetzt nur noch herausfinden, warum.
Sein Verstand gab ihm die Antwort.
Er hatte die Gefühle seiner Mutter verletzt, deshalb war sein
Vater so wütend auf ihn.
Seit er von Mrs. Lewis geträumt hatte, ahnte er, was Gefühle
waren.
»Es tut mir leid«, sagte er. Er wußte, was sein Vater hören
wollte. »Was ich vorhin gesagt habe, war gedankenlos.«
»Gut, daß du deinen Fehler einsiehst«, sagte sein Vater.
»Und nun geh nach oben und zieh dich für das Begräbnis um.
Ich möchte, daß du dich bei der Feier so benimmst, als täte es
dir leid, was Marty Lewis zugestoßen ist. Verstanden?«
»Verstanden«, sagte Alex. Er stand auf und ging nach oben.
Während er sich umzog, konnte er seine Eltern streiten hören.
Obwohl er die Worte nicht verstehen konnte, wußte er, um was
es ging.
Sie stritten über ihn, weil er sich so merkwürdig aufführte.
Seine Eltern waren nicht die einzigen im Ort, die sich über
sein Benehmen aufregten.
Es war immer das gleiche. Wenn Alex einen Raum betrat,
verstummte das Gespräch. Die Blicke der Anwesenden
richteten sich auf ihn.
Aber es gab auch Leute, die es vermieden, ihm in die Augen
zu sehen.
Nicht daß ihm die Art und Weise, wie sie ihn behandelten,
Sorgen gemacht hätte. Was ihm Sorgen machte, war der
Traum, den er gehabt hatte. Immer noch suchte er nach einer
Erklärung, was der Traum zu bedeuten hatte. Als er schlief,
hatte er Gefühle verspürt. Würde er auch im wachen Zustand
Gefühle haben wie ein normaler Mensch?
Natürlich war auch möglich, daß ich der Mörder von Mrs.
Lewis bin, dachte er.
Vielleicht war es doch richtig, wenn er auf die Beerdigung
ging. Wenn er ihren aufgebahrten Leichnam sah, würde ihm
wohl einfallen, ob er sie getötet hatte oder nicht.
Alex hatte das Tor des kleinen Friedhofs passiert, als die
beunruhigenden Gedanken zurückkehrten.
    Die Erinnerung war wieder da. Er hatte ein klares Bild, wie
der Friedhof aussehen mußte, aber alles war verändert.
Die Umfriedungsmauer war verfallen. Das Gras, das die
spanischen Priester so hingebungsvoll gepflegt hatten, war
verdorrt.
Auch die Grabsteine hatten sich verändert. Es waren mehr
als damals. Und die eingravierten Namen waren so verwittert,
daß sie kaum noch zu entziffern waren. Die Blumen, die auf
den Gräbern gelegen hatten, waren verschwunden.
Er betrachtete die Gesichter der Menschen, die vor dem
offenen Grab standen. Alles Unbekannte.
Fremde. Menschen, die nicht hierhergehörten.
Und dann kam der Schmerz wie ein Dolch, der in sein
Gehirn gestoßen wurde. Das Flüstern der Stimmen formte sich
zu einem Chor.
»Ladrones.., asesinos ...«
Am liebsten wäre er davongerannt. Davongerannt vor den
Kopfschmerzen, vor den Stimmen und Erinnerungen.
Er fühlte, wie jemand ihm die Hand auf den Arm legte. Er
wollte die Hand abschütteln, aber das gelang ihm nicht.
»Alex«, hörte er seinen Vater flüstern. »Alex, was hast du?«
Alex schüttelte den Kopf. Er warf einen Blick in die Runde.
Seine Mutter stand da, sie schien sich wieder einmal
seinetwegen Sorgen zu machen. Er erkannte Lisa Cochran, die
mit ihren Eltern zum Begräbnis gekommen war. Kate Lewis
war da, halb verdeckt von dem blumenbedeckten Sarg. Neben
ihr stand Valerie Benson, etwas weiter zurück, an der Mauer,
die Familie Evans.
»Alex«, hörte er seinen Vater sagen.
»Es ist nichts, Vater«, flüsterte er. »Ich bin okay.«
»Du kannst es mir sagen, wenn du dich nicht wohl fühlst.«
»Ich hatte nur so eine Erinnerung, das ist alles. Ich fühlte
mich schwindlig. Jetzt geht es mir besser.«
Die Finger, die seinen Arm umklammert hielten, lockerten
sich. Alex verspürte Erleichterung.
Die Stimmen, die mit ihrem Flüstern sein Ohr gefüllt hatten,
waren verstummt. Der Friedhof war wieder so, wie es sich
gehörte.
Aber warum hatte er an die Priester gedacht?
Sein Blick

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