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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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gewesen war, als ich die Honigwabe verlassen hatte.
    »Darf ich ihm das geben?«, fragte ich leise, zog die Brauen hoch und versuchte ein schüchternes Lächeln.
    Der Junge nickte und grinste. Jetzt standen fünf von ihnen um mich herum, lehnten sich mit aufgesetzter Lässigkeit an eine Mauer oder versteckten sich halb hinter einer anderen und reckten die Hälse, um besser sehen zu können, ohne dabei aufzufallen. Ich legte den Apfel auf meine Handfläche, und das Pferd fraß ihn, aber es hatte die Ohren zurückgelegt. Es fühlte sich mit mir nicht so recht wohl, und ich wusste warum.
    »Stimmt es, dass du nur mit den Händen Feuer machen kannst?«, platzte plötzlich einer der Jungen heraus.
    »Halt den Mund, Paddy«, sagte der Erste erbost. »Was bildest du dir ein, die junge Dame so etwas zu fragen?«
    »Ich bin sicher, dass uns das nichts angeht«, fügte ein anderer hinzu, obwohl er zweifellos ebenso wie die anderen seinen Teil zu dem Klatsch darüber beigetragen hatte, was wir dort in der Honigwabe eigentlich machten.
    »Mein Vater ist ein Zauberer. Ich selbst habe mit diesen Dingen nichts zu tun«, sagte ich leise und streichelte immer noch die Schnauze des Pferdes mit zierlichen Fingern. »Ich bin einfach nur ein Mädchen.«
    »Wir haben dich diesen Sommer nicht viel zu sehen bekommen«, meinte der mit den Sommersprossen. »Er lässt dich wohl viel arbeiten, wie?«
    Ich nickte und gestattete mir, ein wenig niedergeschlagen dreinzuschauen. »Wir sind nur zu zweit, mein Vater und ich.« Ich stellte mir mich selbst als pflichtbewusste Tochter vor, die leckere, sättigende Mahlzeiten kochte, flickte und stopfte und fegte und sich um ihren Vater kümmerte, und ich konnte in ihren Augen das gleiche Bild sehen.
    »Eine Schande«, sagte einer der Jungen. »Du solltest hin und wieder im Lager vorbeikommen. Wir tanzen und spielen und haben viel Spaß. Du verpasst etwas.«
    »Vielleicht –«, begann der andere Junge, aber ich erfuhr nicht mehr, was er sagen wollte, denn nun rief Vater nach mir, und die Jungen verschwanden schneller als Schnee im Frühling und ließen mich mit dem Pferd allein. Und als ich mich umdrehte, um Vater gehorsam nach Hause zu folgen, sah ich Darragh auf der anderen Seite der Pferdereihe, wie er sein weißes Pony striegelte. Aoife hatte er es genannt; er hatte sich lange und heftig mit Dan gestritten, um die Stute behalten zu können, und sich am Ende durchgesetzt. Jetzt warf er mir einen kurzen Blick zu und wandte sich wieder ab, und nicht einmal durch ein Brauenzucken oder eine kleine Geste zeigte er, dass er mich erkannt hatte.
    »Sehr gut«, sagte Vater, als wir im kalten, stärker werdenden Westwind nach Hause gingen. »Wirklich sehr gut. Du entwickelst ein Gefühl dafür. Dennoch, das ist erst der Anfang. Ich möchte, dass du das noch viel besser ausfeilst. Du wirst es in Sevenwaters brauchen. Die Leute dort sind anders als diese Fischer und schlichten Hausierer und Kesselflicker. Wir müssen daran arbeiten.«
    »Ja, Vater.«
    »Wir fangen vielleicht früher an als geplant. Sobald Dan und seine Leute weg sind, beginnen wir mit dem nächsten Schritt. Du kannst dich für den Rest des Tages ausruhen. Das hast du dir verdient, aber mehr Untätigkeit können wir uns nicht leisten. Nutze die Zeit.«
    Er ließ mir keine Wahl; es hatte nie eine gegeben. »Ja, Vater«, sagte ich, als wir wieder auf die Klippe hinaufgingen und in den dunklen Gängen der Honigwabe verschwanden. Ich machte den Zauber rückgängig und war wieder mein übliches hinkendes, ungeschicktes Selbst. Ich hatte getan, was Vater von mir wollte. Warum war ich dann so unglücklich? Hatte ich nicht bewiesen, dass ich sein konnte, was ich wollte? Hatte ich nicht gezeigt, dass ich die Menschen dazu bringen konnte, mich zu bewundern, dass ich sie meinem Willen unterwerfen konnte? Dennoch, als ich später auf meinem Bett lag, starrte ich lange ins Dunkel und spürte eine Leere in mir, die nichts mit Magie zu tun hatte, nichts mit Bannsprüchen und meiner Beherrschung meines Handwerks.
    Es war eine Nacht ruheloser Träume, und ich erwachte schon vor dem Morgengrauen schaudernd unter meiner Wolldecke. Ich hörte das Heulen des Windes und das Tosen des Meeres, das auf die Felsen der Honigwabe eindrosch. Kein guter Tag, um unterwegs zu sein. Vielleicht würden Dan Walker und seine Leute beschließen, ein wenig länger zu bleiben. Aber so war es nie. Sie hielten sich an ihre Zeiten wie die Zugvögel, ihr Kommen und Gehen erfolgte so

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