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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Es war noch die kleine zerzauste Eule, die ich sah, obwohl es kein Zeichen vom Flattern einer Landung gegeben hatte. »Du musst ein bisschen mehr arbeiten, und schnell. Die Dämmerung dauert nicht lange; bald schon wird es dunkel und zu spät sein.«
    »Denk nach, Mädchen, denk nach«, sagte eine rissige, tiefe Stimme rechts von mir, eine Stimme, die direkt aus dem Felsen selbst zu kommen schien. War dieser Riss eine Art Mund, diese glatten, runden Löcher mit den hellen Muscheln eine Art Auge? Die Fomhóire waren überall. So hatten sie zahllose Zeitalter überlebt, während andere getötet wurden oder ins Exil gingen. »Denk nach«, sagte die Stimme wieder. »Benutze deinen Kopf. Erinnere dich.«
    »Ich kann nicht«, flüsterte ich. »Ich kann ihn nicht sehen. Es ist sicher zu spät.« Und dennoch, draußen im Wasser, war da nicht ein einzelner Selkie zurückgeblieben, allein in der zunehmenden Dunkelheit, und hatte sich wieder dem Land zugewandt, scheinbar im Bestreben, den anderen zu folgen, als sie nach Osten zu den geschützten Buchten der Größeren Insel schwammen? Er wartete, aber er würde nicht ewig warten können. Was sollte ich tun? Ich konnte nicht rufen; das hier war ein wildes Geschöpf. Meine Stimme würde ihn nur verschrecken. Denk nach, Fainne. Erinnere dich. Erinnere dich.
    »Ich muss singen«, murmelte ich, als es mir wieder einfiel. Darragh hatte mich immer verlocken wollen, zu seiner Dudelsackmusik zu singen. Und einmal hatte er etwas über Selkies gesagt. Was war das noch gewesen? Ich wette, du könntest so gut singen, dass es selbst die Selkies aus dem Meer lockt, wenn du es nur versuchtest, hatte er gesagt. Die Göttin mochte mir beistehen – wie konnte ich dieses wunderbare Geschöpf zum Ufer singen, ich mit meiner heiseren, krächzenden Stimme, die wie der Ruf eines kleinen, verlorenen Sumpfgeschöpfs war, das dort im Ried quakt? Ich schaute in die dunklen Augen des Selkie, er erwiderte meinen Blick, und ich wusste, dass ich genau das tun müsste; dass meine Stimme die einzige war, die ihn nach Hause singen konnte. Denn so erstickt und heiser sie war, war es nicht die Stimme der Liebe?
    »Beeil dich«, drängte das Eulengeschöpf. »Wenn es dunkel ist, ist es zu spät.«
    Und tatsächlich drehte der Selkie nun den Kopf, um den anderen nachzuschauen, und wandte sich dann wieder mir zu. Also holte ich tief Luft und begann zu singen. Meine Stimme war schwach und tonlos, ein kleiner Faden von einer Melodie, die vom Westwind weggerissen wurde, sicher zu leise, um auch nur bis zu dem Geschöpf zu gelangen, das dort in den Wellen tanzte. Er beobachtete mich.
    »Gut«, log das Eulengeschöpf dreist.
    »Mehr«, ermutigte mich das Felsenwesen. »Mehr. Lauter. Er hört dich, aber du musst dich wirklich beeilen.«
    Er schien mich tatsächlich gehört zu haben, denn er kam näher herangeschwommen, und ich glaubte, einen Augenblick so etwas wie Wiedererkennen in diesen seltsamen, kummervollen Augen zu sehen, in denen die ganze Wildheit des Ozeans stand. Ich begann erneut. Die Wärme der großen Steine erfüllte mich, der Westwind gab mir Atem, die Stimme des Meeres bildete einen tiefen Kontrapunkt zum zögernden Fluss meiner Melodie. Ich sang weiter, während das Licht dunkler wurde und das Wasser schwarz, während die Schatten ihre langen Hände über mich streckten und der Himmel sich dunkelviolett verfärbte. Meine Stimme war eine jämmerliche Folge misstönender Geräusche in der Weite des abgelegenen Ortes, meine Worte kamen nur zögernd. Aber sie kamen auch tief aus dem Herzen, und ich goss alle Liebe und alle Sehnsucht hinein, die ich dort verborgen hatte. All die Dinge, die ich ihm nie gesagt hatte, weil ich es nicht konnte, sang ich ihm nun zu. Ich sang weiter in die Dämmerung hinaus, wartete darauf, dass sich die Zeit veränderte.
    Das letzte Licht verging, und dicht an der Grenze von See und Land wartete der Selkie, der glatte, dunkle Kopf kaum sichtbar über dem Wasser, die runden Augen auf mich gerichtet. Mein Lied kam langsam zu einem Ende. Als die Dämmerung zur Dunkelheit wurde, streckte ich die Hand aus, und meine Finger stießen auf die starke Hand eines Mannes. Ich zog mit aller Kraft, Tränen liefen mir über die Wangen, und endlich lag dort auf den Felsen neben mir im ersten Licht des aufgehenden Mondes mein Geliebter, triefnass, von Kopf bis Fuß schaudernd und ohne einen Fetzen Kleidung. Ich umarmte ihn, als ich dort an seiner Seite hockte, und fragte mich, wie ich je daran

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