Das kleine Haus am Meer (Romantischer Lady-Krimi)(German Edition)
solche, in ihren Augen Kleinigkeiten nie Wert gelegt. Nur einige Grenzsteine, die von Amts wegen in größeren Abständen eingesetzt worden waren sagten ihm, dass er nun sein Grund und Boden verließ.
Ein kühler, nach Salzwasser duftender Wind kam vom Meer her, zupfte an seiner Jacke und an den Haaren und machte ihm das Atmen schwer.
Graf Andreas war das gewohnt. Er liebte dieses Land und das Meer, dessen schier grenzenlose Weite ihn von Anfang an fasziniert hatte. Es gab keine üppige Vegetation hier, doch jetzt im Hochsommer standen die weiten Wiesen in voller Blüte. Nicht weit von dem Mann entfernt graste friedlich eine Schafherde. Sie gehörte zu seinem Besitz.
Tante Klara, wie Graf Andreas die alte Frau mit leisem Schmunzeln genannt hatte, mochte es gern, wenn die Schafe auch ihr Land abweideten. Sie selbst wollte keine Tiere halten, denn das hätte für sie nur zusätzliche Arbeit bedeutet. Sie wollte ihre Zeit lieber anders verbringen. Meist saß sie vom frühen Morgen an draußen in den Dünen und malte. Das war jetzt vorbei.
Ein wehmütiges Gefühl schlich sich in das Herz des Mannes, wenn er an die Stunden dachte, die er gemeinsam mit der alten Dame verbracht hatte. Erst jetzt, da sie tot war, merkte er, wie gern er Tante Klara gehabt hatte. Sie war eine bewundernswerte Frau gewesen, deren Gesellschaft ihm mehr bedeutete als irgendeine Party, bei der ohnehin nur meist leeres Stroh gedroschen wurde. Sinnvolle Unterhaltungen, wie er sie mit der Verstorbenen gewohnt war, hatte er in der sonst üblichen Gesellschaft noch kaum erlebt.
Alle Härte wich aus seinem Gesicht. Er lächelte, denn er hatte Silvia entdeckt, die gerade versuchte, den ziemlich verwilderten Vorgarten ein wenig in Ordnung zu bringen.
Ein fleißiges Persönchen, dachte er. Wenn sie so bleibt, dann hat Tante Klara ganz richtig entschieden. »Na ja, neuer Besen kehrt gut«, murmelte er vor sich hin. Man würde abwarten müssen. »Still, Arco, wir werden sie überraschen.« Der Graf legte seinen Zeigefinger an die Lippen, und der Hund verstand sofort. Zustimmend wedelte er mit dem Schwanz.'
Vorsichtig, damit er kein unnötiges Geräusch verursachte, schlich Andreas näher. Er konnte seinen Blick nicht von der schlanken Frauengestalt wenden, die sein Herz höher schlagen ließ. Sollte er sich in sie verliebt haben? Ärgerlich verwarf Graf Andreas diese unsinnigen Gedanken. Natürlich war es bei ihm nur das Interesse an dem Anwesen. Er selbst besaß keinen eigenen Zugang zum Meer, dabei war er ein leidenschaftlicher Schwimmer.
Silvia hatte noch immer nichts bemerkt. Sie war so beschä ftigt mit den vielen Wildblumen, die den Rosenstöcken die Luft und das Licht nahmen, dass sie sich nicht einmal umdrehte, als Andreas mit der Schuhspitze an einen Stein stieß.
»So fleißig, kleine Prinzessin?« Verlegen biss sich der Mann auf die Lippen. Eigentlich hatte er das gar nicht sagen wollen. Es war ihm nur so herausgerutscht.
Vor Schreck fiel Silvia die Hacke aus der Hand. Sie richtete sich auf und stöhnte verhalten, weil sie auf einmal das Ziehen im Rücken als sehr unangenehm empfand. Als sie ihn erkannte erhellte ein freundliches Lächeln ihr hübsches Gesicht. »Was verschafft mir die Ehre Ihres so frühen Besuches? Ich hoffe, es ist etwas Angenehmes oder ganz einfach nur Zufall. « In ihren Augen blitzte es schelmisch auf. Sie hatte ausgesprochen gute Laune, denn die Arbeit in der frischen Luft klärte ihre Sinne und ließ sie hellwach sein, was sie in der dicken Stadtluft eigentlich nur selten erlebt hatte.
Andreas beobachtete verblüfft ihr wechselndes Mienenspiel. Die Frau faszinierte ihn, und er fühlte sich ausgesprochen wohl in ihrer Gesellschaft. Die enge Verwandtschaft mit der Verstorbenen konnte sie jedenfalls nicht leugnen, denn sie hatte dieselbe warmherzige Ausstrahlung wie Klara sie gehabt hatte.
Zog es ihn deshalb so oft in Silvias Nähe? Nein, in ihr würde er Klara Rosen niemals wiederfinden können. Sie war für ihn ein Ersatz für die Mutter gewesen, die er schon in jungen Jahren verloren hatte.
Silvia Rosen dagegen war ein junges Mädchen voll Schwung und Phantasie und der Aggression der Jugend. Er hatte ihren Widerspruchsgeist kennengelernt, als er ihr ein Angebot für Klaras Anwesen hatte machen wollen. Insgeheim jedoch bewunderte der Graf ihre Reaktion. Er wäre sehr enttäuscht von ihr gewesen, wenn sie verkauft hätte.
Mit Feuereifer jagte Arco dem Stock nach, den Graf Andreas so weit warf, wie er es nur
Weitere Kostenlose Bücher