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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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finsteres, brütendes Schweigen, während die Kutsche schon über die Innbrücke zurück nach Passau ratterte.
    Sebastian war das Schweigen nur zu recht. Er hasste und verabscheute seinen Onkel aus tiefster Seele, und so nahe neben ihm sitzen zu müssen bereitete ihm körperliches Unbehagen – nein, Ekel war es, der in ihm aufstieg.
    Die verhängten Fenster verhinderten, dass Sebastian hinausschauen und verfolgen konnte, wo sie sich befanden. Doch der veränderte Ton der Räder verriet ihm, dass sie die Brücke mittlerweile hinter sich gelassen hatten und Lauretia das Gespann nun durch die Stadt lenkte. Und sie jagte offenbar so rücksichtslos durch Straßen und über Plätze, wie sie es in den Tagen ihrer Ausspähung bei Jodok beobachtet hatte. Der Kutsche des Domherrn war gefälligst Platz zu machen, sonst wurde man unter Flüchen und Drohungen zur Seite gescheucht oder es setzte sogar Hiebe mit der Peitsche. Und Lauretia sparte jetzt ebenso wenig mit wüsten Verwünschungen, wenn jemand nicht schnell genug den Weg freigab, und ließ auch die Peitsche kräftig knallen.
    Während sie so zügig die Stadt durchquerten, bedachte Sebastian
noch einmal in kurzen Gedankensprüngen, was alles im Laufe gerade mal einer Woche an Unglaublichem geschehen war und dass sie sich nun tatsächlich mit dem Domherrn in ihrer Gewalt auf dem Weg zur uneinnehmbaren Festung Oberhaus befanden. Und dann verharrten seine Gedanken einen Moment bei dem letzten noch immer ungelösten Geheimnis, nämlich wer sich hinter dem mysteriösen Fremden verbarg, den sie nur als den Kapuzenmann kannten. Hatte er ihre Spur verloren, seit der Mönch und er aus dem Kloster geflohen waren? War sein Interesse an ihm aus irgendeinem Grund plötzlich erloschen? Hatte er ihn nun seinem eigenen ungewissen Schicksal überlassen, oder lauerte er vielleicht hinter den Kulissen, bis der Zeitpunkt gekommen war, um wieder in Erscheinung zu treten und in sein Leben einzugreifen?
    Sebastian verdrängte diese beunruhigenden Gedanken, als sie wenig später das Ausfalltor an der Donau passierten und die Hufe der vier Schimmel über die schweren Bohlen der Brücke trommelten, die Passau mit dem linken Flussufer verband. Dort ging es kurz hinter der kleinen Siedlung, die rund um die Brückenauffahrt am Fuß des Berges klebte, auf einer breiten, sich in die Höhe windenden Straße hinauf zur Festung Oberhaus.
    »Hört mir jetzt gut zu«, brach Sebastian nun das Schweigen in der Kutsche, und er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Denn die Vorstellung, dass der letzte Teil ihres Planes doch noch scheitern konnte und die Festung dann für sie zur unentrinnbaren Falle wurde, lag wie eine eiserne Klemme um seine Brust. Und als er fortfuhr, legte er deshalb eisige Entschlossenheit in seine Stimme, die er so überhaupt nicht empfand, die aber den Anschein erwecken sollte, als würden seine Freunde und er vor nichts zurückschrecken und dem Tod notfalls
unerschrocken ins Auge sehen. »Wir haben nichts mehr zu verlieren. Sollte es zu einem Kampf mit den Wachen kommen und wir dem Tod nicht entrinnen können, so sei es denn! Wir wissen, worauf wir uns eingelassen haben.«
    Tassilo beschränkte sich darauf, einen knappen, unbestimmten Laut von sich zu geben.
    »Aber lasst uns von Euch reden. Es liegt ganz in Eurer Hand, ob Ihr mit einer Blamage, dafür aber mit Eurem Leben davonkommt, oder ob Ihr mit uns sterben werdet!«, erinnerte ihn Sebastian. »Wir haben Erkundigungen eingezogen und wissen, dass Ihr oft in der Festung seid und die Macht habt, uns in den Kerker zu meinem Vater und Leonhard Kaiser zu bringen, ohne dass man uns Fragen stellt oder es uns gar verwehrt, Euch zu begleiten. Ihr werdet am Tor wie gewohnt Einlass verlangen und uns unverzüglich zu den Zellen der Gefangenen führen.«
    Tassilo schnaubte. »Und die ganze Zeit willst du mir die Klinge an den Hals halten, ja?«
    »Ihr scheint uns noch immer zu unterschätzen«, erwiderte Sebastian. »Natürlich werde ich den Dolch von Eurer Kehle nehmen! Aber dennoch werdet Ihr Jodoks Klinge jede Sekunde zu spüren bekommen, verlasst Euch drauf! Ihr werdet nämlich humpeln, als hättet Ihr Euch den Fuß verstaucht, dabei Euren linken Arm um meine Schulter legen und Euch scheinbar auf mich stützen. Und ich werde meine Rechte mit dem Dolch unter Eurem Umhang haben – jederzeit bereit, Euch sofort die Klinge in den Leib zu stoßen, wenn Ihr etwas sagt oder tut, das uns in

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