Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
Mama sagt, es lenkt Papa vom Trinken ab; also ist es gut für beide.
Ich versuche, mich für sie zu freuen. Aber ich kann es nicht, weil sie Aaron ablehnen. Heute zum Beispiel hat Mama mich wieder nach »diesem Silver« gefragt. Ob er in der Schule wieder Ärger gemacht hat. Ich tat, als hätte ich keine Ahnung. Als wäre es mir egal. Papa runzelte die Stirn und sagte: »Ich will, daß du dich von solchen Leuten fernhältst.« Sie glauben beide, daß ich nichts mehr mit Aaron zu tun habe. Sollen sie das ruhig weiterdenken.
Aber ehrlich gesagt habe ich wirklich keine Ahnung, was Aaron heute gemacht hat. Wir haben uns nur anschauen können. Er hat mich hastig angesehen und ich ihn auch.
20:30
Heute ist Jeff echt bedrückt nach Hause gekommen. Seine sämtlichen Freunde haben schon vom Snyder College gehört. Alle sind angenommen worden. Er ist der einzige, der noch keine Antwort hat. Marsha meinte, er soll sich keine Sorgen machen. Er hat sich erst sehr spät beworben. Also wird er auch als einer der letzten eine Zusage kriegen, nachdem Marsha weg war, hat Jeff mich angeschaut und gefragt: »Was mache ich, wenn sie mich nicht nehmen?«
»Weiß nicht«, antwortete ich. Und das war nicht gelogen. Was soll Jeff tun? In Tranten Township bleiben und bei Plumbco arbeiten? Mit Plumbco ist es eine seltsame Sache. Wer einmal dort anfängt, bleibt meistens sehr lange dort, manchmal sogar das ganze Leben. Das kann nicht daran liegen, daß die Arbeit Spaß macht. Es ist einfach nur bequem, und eines
Morgens wacht der Betreffende auf und begreift, daß es für ihn nichts anderes als Plumbco geben wird. Also arbeitet er weiter und verliert sich im Laufe der Jahre immer mehr. Zuerst nur ein kleines bißchen, so als wenn man sich einen Finger abhackt. Dann immer mehr, und am Ende hat man all seine Hoffnungen verloren. Ich glaube, daß Jeff das ganz bestimmt nicht will. Aber es macht nicht den Eindruck, als hätte er viele Alternativen.
Er sah echt verängstigt aus. Ich habe ihm gesagt, er soll sich nicht verrückt machen. Marsha hat wahrscheinlich recht. Seine Benachrichtigung ist bestimmt schon mit der Post unterwegs. Bevor er rausgegangen ist, hat er aus dem Fenster geschaut und die Fabrik auf der anderen Straßenseite betrachtet. Ich wußte, daß er dasselbe dachte wie ich.
16. April
Habe heute mit Aaron geredet. Eigentlich nicht richtig, aber es war fast wie ein Gespräch. Mrs. King las Gedichte von Yeats und Donne vor. Zwei richtige alte Langweiler. Dann hat sie einen Freiwilligen zum Vorlesen gesucht, und Aaron hat den Finger gehoben. Er las ein Gedicht über die Liebe zu einem Menschen mit rotem Haar vor. Seine Stimme klang so seltsam, daß ich rübergeschaut habe. Ich wäre fast umgekippt. Er hat überhaupt nicht in sein Buch gesehen, sondern zu mir, und das Gedicht dabei auswendig aufgesagt.
Weil alle die Gesichter in den Büchern hatten, hat es niemand mitgekriegt. Mrs. King hat sich gerade ein Erkältungsspray in die Nase gesprüht und es auch nicht bemerkt.
Aaron wurde gerade noch rechtzeitig mit dem Gedicht fertig, denn Mrs. King hat sich lautstark in ihr Taschentuch geschneuzt. Ich mußte lachen, denn es klang wie ein Nebelhorn. Wahrscheinlich habe ich ziemlich laut gelacht, denn alle haben mich angeschaut. Alle außer Aaron, der in sein Buch blickte. Mrs. King fragte mich, was denn so lustig sei. Weil ich nicht wußte, was ich sagen soll, habe ich noch mal gelacht.
Und ausgerechnet in diesem Moment mußte Ralph niesen. Es hat ihn so schnell überkommen, daß er sich nicht mehr die Hand Vorhalten konnte und Theresas Hinterkopf eine Dusche abgekriegt hat. »Igitt! « kreischte sie, und alle haben sie angesehen und gelacht. Dann hat es gegongt, und wir sind aufgestanden. Mrs. King hat mich böse angefunkelt. Sie sagte, daß sie Gelächter in ihrem Unterricht nicht duldet. Ich habe genickt und Aaron einen raschen Blick zugeworfen. Er lächelte mich an.
Dieses Lächeln hat mir den Tag gerettet. Das mit dem Gedicht war sehr schön, doch das Lächeln war das Allerhöchste. Momentan läuft es zwar echt beschissen bei mir, aber wenn Aaron lächelt, geht es mir gleich viel besser. Zur Zeit ist es alles, was ich habe
17. April
Heute im Männerklo hat sich plötzlich ein Arm um meine Schulter gelegt und mich in eine Kabine gezogen. Ich hätte fast geschrien, aber dann stellte ich fest, daß der Arm zu Aaron gehört. Er sah aus, als hätte er geweint. Ich fragte, was los ist, und er zeigte mir ein gezeichnetes Hakenkreuz, das
Weitere Kostenlose Bücher