Das Königsmädchen
Kopf. Es waren keine körperlichen Schmerzen.
»Bald wird man uns trennen. Dann muss ich von hier fort.«
Sofort verschwand sein ängstlicher Gesichtsausdruck und nun sah auch er verbittert aus. Langsam nickte er und strich mir vorsichtig eine Strähne hinters Ohr.
»Ich weiß. Du wirst mir fehlen.«
»Ach ja?« Ich lachte. »Du willst also gerne nasse Lappen an den Kopf geknallt haben?«
Mein Lachen erstarb, als ich seinem Blick begegnete, der alles andere als belustigt war. Er hatte seine Augen auf meinen Hals gerichtet und fuhr nun vorsichtig mit der Hand über die Stelle, wo mir der Nebulos die Haut zerrissen hatte.
»Es heilt schon, vielleicht werden gar keine Narben zurückbleiben.«
Wir wussten beide, dass so tiefe Wunden nicht heilen würden, aber seine Stimme war so zärtlich, dass ich nichts erwiderte. Stattdessen legte ich meine Hand auf die Stelle an seiner Brust, die der Nebulos zerrissen hatte und wo sein Herz schnell schlug.
»Sie wird hoffentlich auch verheilen«, flüsterte ich mit zitternder Stimme.
»Lilia, egal was passiert. Dieses Schicksal hat uns zusammengeführt und wir durften einander kennenlernen.«
Ich musste schwer schlucken. Seine Haut glühte und mich überkam ein Gefühl von Angst. Ich wollte nicht von ihm getrennt sein. Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe, auch wenn ich mit ihm nicht so offen sprechen konnte, wie mit Kinthos.
Kinthos.
Der Gedanke an meine Aufgabe im Tempel keimte auf. Ich würde vielleicht seine Frau werden. Wieso war alles so kompliziert? Warum lernten Briar und ich uns jetzt kennen? Wären wir uns ein paar Wochen später begegnet, wäre ich womöglich längst die Oberste gewesen. Dann hätte ich wahrscheinlich gedacht, dass Kinthos der beste Mann ist, den es für mich gibt, doch nun war ich mir nicht mehr sicher.
»Du denkst zu viel nach«, flüsterte Briar und nahm mein Kinn und zog es so zu seinem Gesicht, dass ich ihm in die Augen schauen musste. »Es ist alles gut, oder nicht?«
Er sah mich sorgenvoll an und bemerkte, dass ich mich wand. Ich war innerlich aufgewühlt und dachte für einen kurzen Moment nach, ob ich Kinthos wirklich wollte. Ob ich das alles wollte, den Tempel, den Titel, meinen Freund Kinthos. Könnte ich ihn vor den Kopf stoßen und mich aus der Deligo zurückziehen?
»Was ist mit dir? Woran denkst du?«
Sein Blick berührte mich tief. Tränen füllten meine Augen, weil ich mich so überfordert fühlte. Ich konnte sie nicht unterdrücken und wollte auch nicht mehr stark sein.
Das schummrige Kerzenlicht umhüllte uns und ich blendete alle Sorgen aus. Es gab nur Briar und mich. Briar, meinen Retter, der sein Leben für mich gegeben hätte.
»Hey, hör auf. Pscht.«
Beruhigend streichelte er mir über meine Wange, doch als das nichts half, nahm er meinen Kopf und drückte ihn an seine gesunde Brust. Dort blieb ich, bis ich nur noch ein paar Mal schluchzte.
»Sie werden mich bald in den Tempel stecken.«
Ich spürte, dass er nickte, während er mir das Haar streichelte. »Dann werden wir uns nicht mehr sehen können und ich werde nachts nicht mehr in deinen Armen liegen.«
Wieder nickte er langsam und für einen Moment verweilte seine Hand auf meinem Hinterkopf.
Dann streichelte er mich weiter, sagte aber nichts. Was empfand er nur für mich? War er genauso traurig, dass ich nicht mehr hier sein würde?
Ich war unsicher und wollte es wissen. Doch ich konnte ihn ja nicht fragen, wie hätte ich das anstellen sollen, ohne meine Gefühle für ihn preiszugeben. Ich ließ meine Finger über seine Brust streichen. Er hatte Gänsehaut. Ich lächelte – es gefiel ihm, wenn ich ihn streichelte.
Ich hob meinen Kopf und unsere Gesichter waren sich so nah. Sein Atem streifte meine Haut und ich nahm seinen Duft in mir auf. Wir lagen so dicht aneinander, dass sich unsere Körper berührten. Meine Hand löste sich von seiner Brust und wanderte zu seiner Wange. Wieder streichelte ich vorsichtig um die Wunde herum. »Wir werden uns nie wieder so nah sein wie jetzt.«
Er musste schwer schlucken und in seinen Augen lag dieselbe Wehmut, die auch mich erfüllte.
»Ich weiß. Aber Lilia …« Er atmete tief ein. »Niemals wird mir jemand so nah sein, wie du.«
Ja, wir waren uns auf eine merkwürdige Weise sehr vertraut. Unser Kennenlernen und die Zeit, die nun vergangen war, konnte uns keiner mehr nehmen. Wir waren untrennbar miteinander verbunden, und doch trennten uns Welten.
»Du wirst mir im Tempel fehlen, Briar.«
»Du wirst mir auch
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