Das Königsmal
des Königs gesetzt hatte und darauf wartete, des Saales verwiesen zu werden? Ein prächtiges Kleid, Juwelenstränge, die einen leeren Platz ausfüllten? Eine Marionette gar, das Spielzeug des Königs? Sie beobachtete die Gelehrten des Landes, die Freunde des Königs, Berater und Gesandte, sah die Kinder, die sich langweilten und nach den Hunden pfiffen, schließlich die Eltern der Braut, Kurfürst Johann Georg I. und seine Frau, Fürstin Magdalena Sibylle von Sachsen.
Der Kronprinz und seine junge, aufgeregte Braut – hektische rote Flecken leuchteten in ihrem schimmernden Dekolleté – thronten auf einem erhöhten Platz in der Mitte der Tafel. Prinz Christian gab sich leutselig, wie immer hatte er dem Wein mit Vergnügen zugesprochen, und so lachte er laut über die Bemerkungen eines Grafen. Zu Christians Kummer nahm sein ältester Sohn jede sich bietende ausschweifende Vergnügung wahr. Er trank den Wein in ungeheuren Mengen und bedrohlicher Hast, liebte die Frauen, die Jagd und das Spiel. Dabei neigte er zu Exzessen, und mehr noch, er achtete nicht auf seine wenig robuste Gesundheit. Mit seinen neunundzwanzig Jahren klagte Prinz Christian bereits über allerlei Schmerzen, sein Atem roch nach Ziege, und die blassblauen Augen schwammen in trübem Weiß.
Das Mädchen an seiner Seite wird es nicht einfach haben, dachte Wiebke und lächelte Prinzessin Magdalena Sibylla über den Tisch hinweg aufmunternd zu. Natürlich war es keine Liebesheirat, die die Siebzehnjährige an den dänischen Hof geführt hatte. Strategische Erwägungen und dynastische Gründe hatten das mächtige sächsische Fürstenhaus und König Christian dazu bewogen, ihre Kinder vor Gott zu verpflichten, ein kräftiges, protestantisches Herrschergeschlecht in diese Welt zu setzen. Dabei konnte Prinz Christian sich über ein anmutiges, zartes Wesen an seiner Seite freuen, das über einige körperliche Vorzüge verfügte. Die wachen Augen der Braut zeugten zudem von einigem Verstand.
Wiebke hoffte, dass auch Magdalena Sybilla ihre ehelichen Pflichten nicht gegen jedes Gefühl vollziehen musste. Vielleicht entdeckte sie die versteckten Reize des Thronfolgers, seine Liebe zu Kunst und Musik. Prinz Christian bewies in dieser Hinsicht Geschmack und Kennerschaft, hatte er doch beispielsweise eine Sammlung ausgefallener Bilder erworben, darunter auch die melancholischen Werke eines gewissen Rembrandt Harmenszoon van Rijn aus Leiden. Dessen dramatische Gemälde und Zeichnungen schienen tief in die menschliche Seele blicken zu können.
Selbst der Deutsche Heinrich Schütz war auf Wunsch des Prinzen nach Kopenhagen gekommen. Ausgebildet in Deutschland und Italien, hatte er bereits als Kapellmeister am Dresdner Hof gearbeitet und einige Kurfürstentage mit seinen musikalischen Werken ausgeschmückt. Seine Oper „Dafne“, die er eigens für den Kurfürstentag von Mühlhausen geschrieben hatte, war noch in aller Munde. Doch mit der für dieses Fest eigens komponierten Hochzeitsmusik hatte er sich selbst übertroffen. Noch nie hatte Wiebke Schöneres gehört, und sie bedauerte fast, dass die Musik, ihr himmlischer Klang, nur die Untermalung des Banketts war und nicht der eigentliche Höhepunkt des Festtages. Wiebke wunderte sich, dass offenbar niemand das Bedürfnis hatte, sich aus dem lärmenden Spektakel der Tischgesellschaft zurückzuziehen, um sich ausschließlich der Musik hingeben zu können, wie sie selbst es am liebsten getan hätte. Wie gern wäre sie hinauf in Christians Turmzimmer gegangen und hätte die Musik durch das Hörrohr genossen – allein mit ihren Gedanken.
„Rebellen, Rebellen – Wallensteins Mundschenk schrie wie am Spieß, bevor ihm vor Angst die goldene Schale mit dem warmen Bier aus den Händen rutschte.“ Voller Vergnügen ahmte Kurfürst Johann Georg den Todesschrei des jungen Burschen nach, bevor er sich einen kräftigen Schluck des besten königlichen Weins genehmigte.
König Christian schüttelte den Kopf. Wallensteins Tod, der heimtückische Verrat an seinem Leben, war noch immer das Gesprächsthema im Reich. Zahllose Flugblätter hatten über den Mord berichtet. Sie befriedigten die Neugier der Menschen mit abenteuerlichen Geschichten. Stiche und Zeichnungen von der Todesstunde des Herzogs wurden auf den Märkten feilgeboten und fanden reißenden Absatz beim Volk. Auch Christian hatte sich einige dieser Blätter in sein Kabinett kommen lassen, und so ahnte er, aus welcher Quelle der polternde Kurfürst seine intimen
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