Das Königsmal
zurück. Das Eintreffen der Wallensteinschen Truppen mit fast dreißigtausend Mann hatte die Lage noch verschärft. Nun waren zwei Heere zu verpflegen in einem Landstrich, der bereits geplündert worden war.
Auch in Hameln stellte man sich auf einen bitteren Winter ein. Es war abzusehen, dass es nicht mehr zu einer entscheidenden Schlacht käme. Bürger und Soldaten würden die Vorräte teilen müssen, und alle richteten sich auf Hunger und Verzicht ein.
Kirsten Munk jedoch wollte davon nichts wissen. Eine Woche nachdem der König wieder zu sich gekommen war, veranstaltete sie ein großes Fest, um die Genesung ihres Mannes zu feiern.
Musikanten spielten in der Diele auf, die Tafeln im Saal bogen sich unter der Last der Köstlichkeiten: verlockende Wildgerichte, deftiger Braten und gebratenes Huhn wurden auf Kupfer- und Messingplatten serviert. Dazu gab es frisches Brot und große Schüsseln voll von Grütze. Gierig hatten sich die mehr als hundert Gäste aus dem Heer und der Stadt ihre Bäuche vollgeschlagen. Unzählige Fässer Bier und Wein waren geleert worden.
Als die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurden auch die Huren der Stadt eingelassen. Mit sicherem Blick hatten die Freudenmädchen die interessantesten Männer unter sich aufgeteilt. Dann machten sie es sich kichernd auf den starken Offiziersschenkeln bequem. Kokettierend schoben sie die gierigen Hände der Männer von ihren Miedern, doch nach und nach verschwanden die Paare und suchten sich stille Ecken.
Christian hatte dem Fest nur eine knappe Stunde beigewohnt. Er war noch schwach, Sitzen und Stehen strengten ihn an. Außerdem wollte er sich ungestört mit seinem Sohn unterhalten. Der erschrockene Kronprinz war gemeinsam mit dem aufgelösten Stallmeister aus Kopenhagen angekommen – gerade als ihm die Nachricht überbracht wurde, er möge umkehren, der König sei außer Gefahr.
Aus Sorge um ihre Tochter war auch Ellen Marsvin, Kirsten Munks resolute Mutter, angereist. Und so beobachtete nicht nur Wiebke besorgt, wie die Gräfin während des Festmahls tiefe Blicke mit dem Rheingrafen tauschte, der sich unter den geladenen Offizieren befand. Doch noch bevor sie ihre Tochter zur Rede stellen konnte, war auch dieses Paar im Trubel der Ausschweifungen von einem dunklen Winkel des Hauses verschluckt worden.
Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
Meine herzlich geliebte Wiebke, es brauchte lange, bis ich ihr meine Zuneigung offenbarte. Ich hatte es nicht gelernt, über mich zu sprechen, mich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Die Gräfin war das Zentrum meines Denkens. Ihre Wünsche überlagerten meine Hoffnungen, meine Sehnsucht auf ein eigenes Leben. Ich hatte meinen Platz eingenommen, ich diente, wie schon mein Vater vor mir. Versagte mir Gefühle, unterdrückte meine Ängste.
Und dann kam Wiebke und bot der Gräfin die Stirn. Sie hatte sich gefürchtet und trotzdem getan, was ihr Gewissen und ihr Mitgefühl von ihr verlangten. Innerlich glühte ich vor Bewunderung. Wie stark dieses Mädchen war. Mehr noch: Als der König mit dem Tod rang, begleitete sie ihn auf seiner Reise in die Zwischenwelt. Sie hielt seine Hand, gab ihm Kraft – über Tage – und dachte nicht an sich selbst. Zuletzt lagen ihre Augen tief in dunklen Höhlen, ihr Gesicht hatte eine grünliche Blässe angenommen, sie war nur noch ein Schatten und konnte vor Müdigkeit kaum noch sitzen.
Ich sorgte mich sehr. Wenn ich konnte, schaute ich nach ihr, drückte ihre Hand, strich über ihre Schultern, flößte ihr einen Schluck warmer Honigmilch ein. Dabei spürte ich ihren Willen, nicht aufzugeben. An der Hoffnung festzuhalten, bis sich der Engel des Todes auf der Schwelle umdrehte und verschwand.
Und dann die Genesung des Königs. Es war wie ein Wunder. Niemand konnte sich erklären, was geschehen war. Die Gräfin schob es auf ihre eitlen Gebete. Und selbst Fueren sagte, Gott habe ihn geheilt. Doch es war Wiebke, deren Glaube und Liebe sich wie ein rettendes Seil um den König geschlungen hatten. Die Seine Majestät aus dem Sumpf des Todes ins Leben zurückgezogen hatten.
Als der König seine Augen aufschlug, brach sie in Tränen aus. Sie konnte sich kaum beruhigen, und ich führte sie in ihre Kammer, legte sie ins Bett und blieb so lange bei ihr, bis sie eingeschlafen war. Am nächsten Morgen hatte sie Fieber, sie schwitzte und zitterte, und ich pflegte sie. Wir sprachen kaum miteinander, so schwach war sie in
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