Das Krähenweib
seine Waffe einzustecken.
Annalena rückte Kleid und Mantel wieder zurecht. Sie schaute nicht hin, spürte aber Röbers amüsierten Blick. Doch sie kümmerte sich nicht darum, ihre Gedanken wirbelten viel zu wild durch ihren Kopf, um sich an etwas so Belanglosem festzuhalten.
»Und dass du uns keine Mätzchen machst, wir behalten dich im Auge!«, drohte Röber, als Annalena sich schon einige Schritte entfernt hatte. Doch weder entgegnete Annalena etwas noch sah sie zu dem Krämer zurück.
So fiel ihr Blick auch nicht auf die dunkle Figur, die die ganze Szene zwischen ihr und den Männern beobachtet hatte.
Peter Mertens löste sich aus der Nische, in der er sich versteckt hatte, und sah der Frau in dem blauen Kleid nach.
Ist sie es wirklich?, fragte er sich.
Die Kleider, die sie trug, waren viel feiner als früher, so dass man sie für eine Bürgersfrau oder für die Magd eines sehr reichen Herrn halten konnte. Doch ihr schwarzes Haar, das dem Gefieder einer Krähe glich, war unverwechselbar. Sie ging auch noch wie früher, wenngleich jetzt etwas gerader, vermutlich weil ihr Rücken nicht mehr schmerzte.
Die dunkel glänzenden Flechten hatten seinen Blick angezogen und ihn vergessen lassen, dass er eigentlich auf dem Weg zur Ratsfronfeste war, wo Meister Pötzsch ihn erwartete. Ohne zu wissen, dass sie diejenige war, nach der er schon so lange vergeblich suchte, war er der Frau gefolgt.
Je länger er ihr folgte, desto aufgeregter wurde er. Konnte es wirklich Annalena sein? Und wenn sie es war, wie konnte er ihrer habhaft werden? War sie es jedoch nicht, an wem konnte er dann seinen unbändigen Zorn auslassen?
Er konnte zu einer Hure gehen, musste dabei aber vorsichtig sein. Eine Hure konnte sich kaum beschweren, wenn ein Freier sie prügelte, aber dummerweise war sein Meister sehr aufmerksam, was die Freudenmädchen anging. Regelmäßig sah er sich in den Hurenhäusern um, und nur der Umstand, dass Mertens ihnen einen falschen Namen nannte, hatte ihn bisher vor dem Groll seines Meisters bewahrt.
Doch er brauchte überhaupt keine Hure, wenn er seiner Frau habhaft werden konnte. Als er sie schließlich erkannte, hatte er es fast nicht glauben können. Endlich! Mit wachsender Erregung war er ihr gefolgt, wollte sich aber zurückhalten, bis er wusste, was sie hier tat.
So hatte er auch das Gespräch zwischen ihr und den drei Männern belauscht. Offenbar war sie in eine Sache verstrickt, die ihr alles andere als wohl bekommen würde, wenn sie nicht tat, was die drei von ihr verlangten. Die Worte Goldmacher und Schloss waren an Mertens’ Ohr gedrungen, beides passte überhaupt nicht zu Annalena, aber offenbar hatte sie sich ein gutes Leben eingerichtet und damit einiges zu verlieren.
Er schwankte nun, ob er ihr folgen oder versuchen sollte, mehr über die Männer herauszufinden, die Annalena bedroht hatten. Vielleicht sollte er sich mit ihnen zusammentun. Männer wie diese brauchten gewiss einen Handlanger. Ihm würde es die Möglichkeit geben, sich an Annalena zu rächen. Und dafür möglicherweise noch entlohnt zu werden. Also wartete er noch, bis die drei Männer den Hinterhof verließen, und schloss sich ihnen dann so unauffällig wie möglich an.
Mit rasendem Herzen kehrte Annalena ins Schloss zurück. Die Begegnung mit Röber und seinen finsteren Spießgesellen steckte ihr tief in den Knochen. Sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, die Luft war ihr knapp und sie zitterte am ganzen Leib. Doch jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als sich wieder in den Griff zu bekommen.
Bei ihrer Rückkehr in die Gemächer der Mätresse traf sie auf den Schneidermeister und seinen Gehilfen. Der Anblick der farbigen Seide, des glänzenden Brokats, der Spitze und des schillernden Tafts zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und half ihr, sich zu beruhigen. Rasch eilte sie zu Fatime und der Gräfin Löwenhaupt, um ihnen die Antwort des Juweliers mitzuteilen und das Geschenk zu überreichen. Die beiden Frauen nickten zufrieden und schickten sie dann wieder zu den anderen Mägden, die bereitstanden, um heruntergefallene Stoffstücke und Bänder aufzuheben und dem Schneider bei der Präsentation zur Hand zu gehen.
Der Schneidergehilfe entrollte einzelne Stoffballen vor den Damen, während sein Meister passende Bänder und Borten aus einer Schachtel nahm und sie über die glänzenden Bahnen legte. »Für die diesjährige Wintersaison empfehle ich Euch Goldbrokat aus Frankreich sowie Seide aus dem Orient. Außerdem habe ich
Weitere Kostenlose Bücher