Das Kreuz am Acker
Kramer im Stationszimmer meldete.
»Ich hätt den Herren etwas zu sagen, weiß aber net, ob es wichtig ist«, katzbuckelte er mit einem falschen Lächeln.
Interessiert horchte der Kommissar auf: »Rücken Sie nur heraus damit!«
»Bei mir drüben in der Kuchl sitzt der Hetscher.«
»Das ist der geistesschwache Adamsberger«, erklärte der Hauptwachtmeister.
»Ja – und?«
»Ich glaub, daß der Hetscher etwas zu sagen hätt!« sagte der Kramer wichtigtuerisch. »Aber er fürchtet sich!«
»Fürchten? Vor wem fürchtet er sich?«
»Soviel ich mich auskenne, fürchtet er den Schwaiger.«
»So?« Der Staatsanwalt musterte den dicken Kramer scharf: »Haben Sie sonst noch etwas zu sagen? Wissen Sie etwas in der Sache Rankl?«
Vorsichtig die Schultern zuckend meinte der Kramer: »Ich hab so meine Gedanken über diese Sache.«
»Vermutungen?« forschte der Kommissar.
»Nix Gewisses weiß ich net.«
»Dann nützt es uns auch nichts«, wurde der andere grob. Betreten sah der Kramer von einem zum anderen.
»Sonst noch etwas?« meinte der Kommissar unfreundlich.
»Nein!«
»Dann können Sie gehen. Holen Sie einmal diesen Besenbinder rüber, Hauptwachtmeister!«
Der Hetscher blieb allen Fragen gegenüber stumm und lächelte nur irre.
»Nichts zu wollen«, gab es der Staatsanwalt auf, »der Mann hat für uns nicht den geringsten Wert.«
Es ging auf Ostern zu. Sonne und Regen und der laue Wind hatten den Schnee bis auf kleine Reste verrinnen lassen, und der Elenderbach hatte es eilig, die vielen Wässerlein aus den Bergen zu sammeln und zu Tal zu bringen. Die Wiesen und Äcker dampften, und nach der Totenruhe des Waldwinters atmete die Erde zum neuen Leben auf. Am Bach und an den Gräben saßen im ersten Grün die sattgelben Dotterblumen, und an den Hängen wiegten sich die Anemonen auf dünnen Stengeln im Lenzwind. Die Krähen zogen sich in die Wälder zurück, und im Erlgesträuch schäkerten die Schwarzamseln. Die Lerchen wurden nicht müde, immer von neuem sich im tanzenden Flug emporzuwinden und fröhlich zu jubeln. Drunten im Dorf begann man bereits, die Felder für die neue Saat zu bearbeiten.
In Hintereben lagen die letzten Schneekrusten am Wegrand und an den Feldrainen. Der Bach rauschte und schäumte über das Gestein in seinem Bett. Die Birken ringsum am Waldrand schimmerten im ersten grünen Schleier, und ihre weißen Stämme leuchteten. Hinter ihnen baute sich dunkelgrün der Fichtenwald bis zu den Berggipfeln auf.
Wie die Natur schienen auch die Menschen zu neuem Leben erwacht zu sein. Die Zeit der bedrückenden langen Nächte, der kurzen nebelgrauen Tage, des Eingewintertseins und der vielen Stunden in der Stubenenge waren vorbei. Die Bauernfuhrwerke knarzten und klapperten wieder über die holprigen und steinigen Wege, in den Höfen wurde geklopft und gehämmert, und die Sägemühle kreischte Tag und Nacht, die Wasserflut nützend, die als Schneewasser aus den Wäldern kam.
Die warme Luft flimmerte über dem Tal, und der Acker, auf dem der junge Rankl hinter dem Pflug ging, dampfte aus den frischen Furchen. Er sah nicht zum Weg hinauf, als dort die Barbara entlang zum Dorf hinunterging.
War besser, wenn er keine Rede anfing. Sie meinte sonst gleich, es wäre ihm so sehr darum zu tun, von ihr ein Wort zu hören. Ging ihm genug im Kopf um. Da hatte er sich durch die Freundlichkeit des Nachbarn einfangen lassen und gemeint, es würde ganz von selbst so kommen, daß er sich bald als Bräutigam der Barbara sehen könnte. In diesen Wochen war ihm alle gute Laune vergangen, und er war froh, daß nun die Arbeit auf den Feldern wieder begann.
»Hüh!« Die Barbara ging langsam, und wenn er seine Furche so weiter zog, mußten sie dort, wo die Feldspitze an den Weg stieß, zusammenkommen.
»Brrr!«
Lieber nicht. Er setzte sich auf den Pflug und sah, dem Hang den Rücken zukehrend, zum Bach hinunter.
Da schritt sie rascher aus und war bald im Wald seinen Blicken entschwunden.
Sie hatte bemerkt, daß der Franz sein Gespann anhielt, um nicht mit ihr zusammenzutreffen. Hatte sie ihm denn etwas getan? Warum wichen ihr nun alle aus? Er kam nicht mehr ins Haus, die Ranklhoferin bekam sie überhaupt nicht zu Gesicht, sogar die Rothkopf Agatha war einsilbig geworden, die Hauserin lief herum wie das schlechte Gewissen, und der Vater redete nur zu ihr, was sein mußte. Dieses wenige aber klang kurz und grob. Heute hatte er sie in die Stadt geschickt, um beim Schmied nachzufragen, ob das Kreuz für den
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