Das Kreuz am Acker
denn sonst – «
»Was sonst?« fiel sie ihm ins Wort. Ihre Wangenmuskeln strafften sich, und die Augenbrauen zogen sich zusammen. Nun sah sie fast ihrem Vater ähnlich, bis auf die eigenwilligen Lippen und den weichen Zug um den Mund, der Muttererbe war.
»Sonst könnte er in mir einen Feind haben, den er fürchten muß. Wenn ich auch versetzt werde, weil es der Bürgermeister so haben will, bin ich deswegen noch nicht aus der Welt, und ich habe viel beobachtet und weiß manches, was dem Schwaiger zum Verhängnis werden könnte.«
Sie entzog ihm die Hand und stand nun aufrecht mit bösem Gesicht vor ihm.
»Was Sie da sagen, das paßt net zusammen mit dem, was Sie mir vor ein paar Minuten gesagt haben. Was wollen Sie denn von meinem Vater? Was könnt ihm zum Verhängnis werden?«
Da erkannte er, daß er sich zu sehr hatte hinreißen lassen, und er bemühte sich, das wieder gutzumachen.
»Ach, es ist ja zum Verzweifeln! Ich meine das ja nicht böse. Aber ich muß dich bekommen, Barbara, dich! Sonst pfeif ich auf alles!«
Sie fing zu gehen an und schritt rasch aus. Er blieb dicht neben ihr.
»Barbara, sag doch ein Wort!« bettelte er wieder.
»Ich kann jetzt net. Ein paar Tage lassen Sie mich das überlegen.«
»Wo überlegt werden muß, ist keine Liebe«, murmelte er resigniert.
»Das kann man doch net sagen!« Vorwurfsvoll und offen sah sie ihn an: »Aber ich – ich weiß wirklich net – mir geht soviel durch den Kopf und – kennen tun wir uns ja auch noch net lange. Also gell, lassen Sie mir Zeit! Vielleicht red ich selber mit dem Vater – « Erschrocken hielt sie inne. »Nein, ich getrau mich net!«
»Aber ich getrau mich, und ich werde es auch tun!« sagte er entschlossen.
»Nein, um Himmels willen net!« Helle Angst ließ sie erblassen.
Er biß sich auf die Lippen. Verärgert schritt er schneller aus. Das hatte er sich heute morgen anders vorgestellt. Nun war er keinen Schritt vorwärtsgekommen.
»Ich möcht net, daß uns jemand begegnet. Können wir net jetzt auseinandergehn?« bat sie, als sie an einer Stelle angelangt waren, wo der Pfad sich teilte und in einer Abzweigung nach Hintereben führte.
»Barbara!« Er wollte sie an sich ziehen. Sie wehrte mit einem müden Lächeln ab und ging fort.
Wütend stampfte er auf den Boden. Hatte er es nötig, sich von diesem Bauernmädel an der Nase herumführen zu lassen? Zeit zum Überlegen brauchte sie? Andere würden nicht lange überlegen. War ein gesicherter Posten gar nichts? War er nicht ein Mannsbild, das sich neben jedem der Bauernburschen in der ganzen Gemeinde nicht nur sehen lassen konnte, sondern von denen schon durch Bildung abstach? Überlegen hätte sie sich das schon lange können! Sie mußte gemerkt haben, daß seine Besuche auf dem Schwaigerhof nur ihr gegolten hatten! Und wieviel Komplimente und versteckte Anspielungen hatte sie sich gefallen lassen! Hatte es da überhaupt noch einen Wert, auf ihre Überlegung zu warten? Steckte ein anderer dahinter? Vielleicht dieser junge Rankl? Der war doch in letzter Zeit ein paarmal auf dem Schwaigerhof gewesen!
Ob er nicht doch mit dem Schwaiger einmal offen reden sollte? Dumm war nur, daß der Staatsanwalt ihm diese Suppe eingebrockt hatte und die Aktennotiz vor dem Schwaiger preisgegeben hatte.
Zum Umkehren hatte er keine Lust, und so folgte er dem aufwärts führenden Pfad und gelangte nach einer Weile auf die Bergäcker unterm Nothackerwald.
Hier hatte sich das rätselhafte Verschwinden des Rankl zugetragen, und hier war auch für ihn der Anfang seiner Liebe zur Barbara begründet gewesen. Hätte der Weg ihn nicht im Zusammenhang mit dieser Ranklgeschichte auf den Schwaigerhof geführt, wäre er wahrscheinlich auf die Barbara gar nicht aufmerksam geworden. So aber hatte er die Gelegenheit, sie näher kennenzulernen, und ihre Art hatte ihn so angezogen, daß er nun wie versessen darauf war, sie auch als seine Braut und Frau zu bekommen.
Er ging den Haselrain entlang, der den oberen und den unteren Acker trennte. Die Äcker rauchten unter der Sonne, nur im Schatten der Stauden lag noch ein letzter Schneerest. Weidenkätzchen saßen wie Silberpunkte auf den Ästen, und aus den Knospen der Hasel sproßten die ersten grünen Blattspitzen. Beim Kreuzstein blieb er stehen und sah sich um. Hier war an zwei Stellen gegraben worden und der Rasen des Rains abgestochen. Da hatte also der Rankl an jenem Spätherbstnachmittag versucht, ein Stück seinem Acker einzuverleiben, ohne den Ausgang des
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