Das Kreuz am Acker
Prozesses abzuwarten. Und das hatte sich der Schwaiger gefallen lassen? Der Schwaigerhofer hatte droben im Wald gearbeitet und sollte mitangesehen haben, wie sein Nachbar hier über die streitbare Grenze hinaus arbeitet, ohne etwas dazu zu sagen? Das glaubt kein Mensch! So sind die Bauern hierherum nicht, daß sie sich das ohne weiteres gefallen lassen würden! Und so ist auch der Schwaiger nicht! Man konnte also annehmen, daß doch ein Streit zwischen beiden stattgefunden hatte!
Ein Streit? Und dann?
Wenn man das wüßte!
Er sah hinauf zu den Birken am Waldrand, oberhalb dem Schwaigeracker. Dort stand zwischen den weißen Stämmen ein Mann und sah zu ihm herunter.
Der Schwaiger!
Der Gendarm überlegte: Sollte er die Gelegenheit benützen und mit dem Bauern ein Wort reden? Ihn um die Hand seiner Tochter angehen? Nein! In seiner jetzigen Stimmung könnte das verkehrt sein.
Er machte kehrt und schlenderte zurück. Quer durch den Wald stieg er hinunter zum Dorf.
Hinter den Birken am Waldrand stand der Bauer vom Schwaigerhof und ballte drohend die Fäuste.
»Schnüffler! Höchste Zeit, daß du verschwindest!«
An einen Stamm mußte er sich lehnen, so zitterte er.
Was hatte dieser Grünfink da zu suchen? Hatte er dazu einen Auftrag?
Lange stand er so und sah düster nieder über die Äcker. War gut, wenn hier einmal eine Straße ging und Wald und Acker so veränderte, daß damit auch die Erinnerung wich. Ganz anders mußte es aussehen, wenn einmal über diese Hangäcker eine Straße führte und ihre Bahnbreitdurch den Wald führte.
Für die nächsten Tage waren die Ingenieure angesagt, die dieses Stück noch vermessen sollten. Drüben, am Kühberg, steckten schon die Pflöcke, und sie waren daran, die Linie um den Nothackerwald auszumachen. War auch Zeit, daß damit eine Arbeit geschaffen wurde. Die Gemeinde hatte viele Kleinhäusler, die mit dem, was ihnen zum Leben zur Verfügung stand, nicht leben und nicht sterben konnten.
Ihn fröstelte, denn die Sonne hatte ihren Schein schon über den Waldrand geschoben, und vom Boden stieg es kalt auf. Er ging langsam heimzu.
»Bist schon da? Was sagt der Schmied?« fragte er kurz und barsch die Barbara.
»Ende der Woche kannst das Kreuz holen lassen«, berichtete sie.
»Ist dir die Hauserin net begegnet. Die ist ins Dorf.«
»Nein, bin über den Berg hergegangen.«
Da gab es ihm einen Ruck. Er faßte sie hart am Arm und drückte ihn, daß sie das Gesicht schmerzlich verzog:
»Was bist du? Über den Berg hergangen? Allein?«
»Nein, der Braun hat mich ein Stück begleitet.« Sie sah ihm in die brennenden Augen, und die Angst schüttelte sie.
»Also ist die Sach soweit, daß ihr im Wald spazieren geht!« Er keuchte vor Grimm.
»Vater! Was hast denn! Ich hab doch nix mit dem Braun!«
Er stieß sie zurück und ließ sich müde auf das Kanapee fallen.
»Ach, geh zu! Ich kenn mich schon lang aus!« sagte er niedergeschlagen. Da der Zornausbruch, den sie gefürchtet hatte, nicht gekommen war, wuchs ihr Trotz wieder, und aufbegehrend erwiderte sie:
»Und was hast denn auch gegen den Braun? Kann man ihm etwas nachsagen? Was war denn dran, wenn er – wenn ich – Müssen wir denn alleweil Bauersleut bleiben? Kann eine Bauerstochter wieder nur einen Bauern heiraten?« Mit einer Ruhe und einem Groll antwortete er ihr, daß sie ein Bangen befiel:
»Das kann ich dir sagen: du bist net irgendein Bauerndirndl. War deine Mutter net so früh gestorben und war noch ein Bub gekommen, dann war die Sache eine andere. Aber so mußt du wissen, was du zu tun hast, und wenn du es net weißt, dann weiß es ich!«
Dann saß er bleich und erschöpft und starrte auf den Boden.
Die Barbara erfaßte das Mitleid mit dem kranken Vater. Sie erinnerte sich an die versteckte Drohung, die der Gendarm ausgesprochen hatte. Angesichts des völlig gebrochenen Mannes erfaßte sie fast ein Zorn gegen den Hauptwachtmeister. Was wollte der eigentlich vom Vater? Ihm mit etwas drohen, wenn er mit der Heirat nicht einverstanden sein sollte? Womit drohen?
Schwer atmete der Bauer und mit gekrümmtem Rücken kauerte er auf dem Kanapee. Auf dem Ofen brodelte ein Topf mit Wasser, und die Uhr tickte hinkend und hart.
»Und was meinst, soll ich tun?« fragte sie schüchtern.
»Mußt halt einmal nachdenken, was deine Pflicht ist. Ich wüßt, was du tun solltest, aber heut red ich noch net!«
Da begehrte sie auf: »Den Rankl Franz soll ich heiraten, das weiß ich schon! Der redet und schaut mich nimmer
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