Das Kreuz der Kinder
verlagert,
darüber wußte sie beredter zu plaudern, hatte sie doch im
heimatlichen Languedoc etliches über König Peter
aufgeschnappt – während sie, was den Staufer Friedrich
anbetraf, völlig im Dunkeln getappt hätte. Wenigstens war
ihr geläufig, daß dessen Ehefrau Constanze aus Katalonien
stammte, schließlich diente ihre ältere Schwester Elgaine
dort bei Hof, was sie natürlich verschwieg. Auch eine
Bastardtochter mußte sich glaubwürdig geben!
Weibergeschichten um den jungen König von Aragon
gab’s hingegen zur Genüge. Der würdige Greis ersparte
ihr jedoch jede Art von peinlichem Verhör, sondern
machte sie mit der Gegebenheit vertraut, daß die karge
Felseninsel Linosa dem Orden der Templer als befestigter
Stützpunkt für deren Flotte diente. Melusine, die von den
Tempelrittern auch nicht mehr wußte, als daß der seltsame
Chevalier Armand de Treizeguet gelegentlich als solcher
auftrat, gab sich naivbesorgt, denn schließlich seien diese
Ritter doch erbitterte Feinde des Sultans. Da konnte der
Großwesir nur lächeln: Zwischen Kairo und dem Orden
bestünde seit langem freundschaftliches Einvernehmen,
auch wenn der Pakt aus naheliegenden Gründen
geheimgehalten würde. Melusine wunderte sich ohne
Mühe, war aber klug genug sich darüber nicht empört,
sondern erfreut zu zeigen. In Wahrheit hatte sie nie
Feindschaft oder gar Haß gegenüber den ›Heiden‹
empfinden mögen – schlimmer als die katholische Kirche
in ihrer Heimat gehaust hatte, konnten es diese
freundlichen Ägypter kaum getrieben haben! Der
Großwesir wiederum empfand ihre souveräne Haltung als
wahrhaft ›königlich‹ und ließ ihr sofort ein kostbares
Geschmeide als weiteres Geschenk überreichen. So hatte
die kleine Flottille das Eiland Linosa erreicht, das
tatsächlich von einer gewaltigen Burg beherrscht wurde.
Die Befestigungsanlagen schlossen zwischen zwei großen
Rundtürmen auch den Hafen mit ein.
Es muß dieser beeindruckende Anblick gewesen sein,
der den Wesir dazu bewog, doch lieber draußen auf der
Reede vor Anker zu gehen, als in diese ›Mausefalle‹, wie
er es scherzend nannte, zu schlüpfen. So sah sich der
befehlshabende Komtur der Templergarnison genötigt, per
Schiff hinauszukommen, um dem hohen Gast seine
Aufwartung zu machen. Er war ein mürrischer, finster
dreinblickender Haudegen, den der Besuch der Ägypter –
und vor allem die zu erwartende Flotte – mit schlecht
verhehltem Mißtrauen erfüllte. Daran änderte auch ›die
aragonesische Königstochter‹ nichts, die ihm stolz von
dem Wesir vorgestellt wurde. Wortkarg nahm er ihre
Existenz und ihr Verlangen nach dem Heiligen Land zur
Kenntnis. Um die Form zu wahren, bot er dem
ranghöchsten Beamten des Sultans und Melusine an, die
schwankenden Planken der Prunkgaleere mit der
Sicherheit des festen Bodens zu vertauschen, und schien
heilfroh, daß der Wesir es höflich wortreich, aber letztlich
dankend ablehnte. Sie einigten sich darauf, daß es dem
Ritterorden zur höchsten Ehre gereichen würde, die vor
dem Hafen ankernde Flottille mit allem, was sie an
Proviant begehre, versorgen zu dürfen, vor allem mit
frischem Trinkwasser.
Während die Herren noch ihre Floskeln wechselten, glitt
ein Schnellsegler des Ordens an ihnen vorbei auf die
Hafeneinfahrt zu. Ein überreich gekleideter Mohr sprang
drüben an Bord plötzlich empor, winkte und hüpfte von
einem Bein aufs andere. Der Wesir und der Komtur
schauten erstaunt auf Melusine, der die Begrüßung wohl
gelten mußte, die hatte auch Timdal sofort erkannt, doch
obgleich ihr Herz ebenfalls vor Freude hüpfte, gab sie ihr
Erkennen nicht zu. Mit unbewegter Miene ließ sie den
Kleinen grußlos vorbeiziehen, bis er zwischen den beiden
Türmen verschwunden war, in der stillen Hoffnung, der
findige Mohr würde ihre besondere Lage auf diese Weise
begreifen.
Der Komtur verabschiedete sich. Der Großwesir wandte
sich an Melusine. »Das wollte ich uns gewiß ersparen«,
scherzte er, »unser Haupt dort in dieser Festung auf den
harten Feldbetten der Templer zur Ruhe zu betten, ihr
karges Mahl an den langen Tischen des Refektoriums mit
ihnen zu teilen! Welch entsetzlicher Gedanke«
Aufatmend stimmte Melusine ihm zu. »Wahrscheinlich
singen sie vor dem Essen und beten des Nachts –.«
Da schaute der Wesir befremdet. »Auch wir knien nieder
zum Gebet, wenn der Tag sich neigt«, rügte er sie sanft,
»wer war übrigens der kleine Schwarze mit dem viel zu
Weitere Kostenlose Bücher