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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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den
Arm.
»Weiber!« grollte Rik, kaum, daß die beiden den Raum
verlassen hatten. »Alles nur Theater, schlecht gespielt«,
schimpfte er hinter den beiden her. »Als Tragödie
angekündigt, verbirgt es doch nur – als tiefer
Seelenschmerz getarnt – den gesuchten Vorwand, bei der
Erörterung der Umstände nicht zugegen sein zu müssen,
die in jener Nacht vor Konstanz dazu geführt haben, daß
der vertauschte Ring mit dem Ausgetauschten verwechselt
wurde!«
»Was darauf schließen läßt, daß der König im Rausch
der Sinne durchaus klaren Kopf behielt – oder die sich
aufopfernde Dame den ihren verlor!«
»Ihr meint, Friedrich hätte ihr Begehr durchschaut,
wollte aber den Ring mit dem Koranvers behalten?«
»Oder ihr Begehr war nicht so eindeutig auf den
Ringtausch ausgerichtet – und der König weiß bis heute
nicht, welchem Umstand er den nächtlichen Besuch in
seinem Zelt verdankte?«
Der Emir vermied es, in einen schlüpfrigen Ton zu
verfallen oder Schadenfreude zu zeigen. »Der Rest ist der
Konfusion ihrer Sinne, also ihrer Leidenschaft für
Friedrich zuzuschreiben!«
»Darf ich meinen Ring nun wieder an mich nehmen?«
meldete sich Karim zu Wort. »Wenn ihn niemand vermißt
– auch König Friedrich nicht –, will ich ihn gern in Ehren
tragen!«
Der Mohr drückte ihn dem Knaben in die Hand. »Laßt
nie eine Frau an ihn heran, mein Prinz, auch wenn sie
Euch noch so schön tut!«
Rik führte seinen Zögling aus der ›Sala al-Kutub‹,
nachdem Karim sich artig von seinem Vater verabschiedet
hatte.
Am nächsten Abend mußte Alekos, der Verfasser des
Berichts, selbst aus seinem Werk vorlesen. Elgaine war
abgereist. Es hieß, sie habe sich – auf Einladung von
Madame Blanche – auf deren Landsitz bei El-Djem
zurückgezogen, um sich von den Aufregungen der
vergangenen Tage zu erholen.

aus der Niederschrift von Mahdia
Das Wunder von Marseille
Bericht des Alekos
    Nicht ein Schiff kam übers Meer gefahren – nein, fünf
Segel blähten sich am Horizont, als die kleine Flotte sich,
gegen den Wind kreuzend, von der Insel Tauris dem
Hafen von Marseille näherte! Sofort brach bei den seit
Tagen wartenden, zwischen dumpfer Hoffnung und heller
Verzweiflung hin und her gerissenen Kindern ein
ungeheurer Tumult los. Neben der Begeisterung, daß alle
Not nun ein Ende habe, war es die Angst, keinen Platz auf
einem der Schiffe zu ergattern. Sie drängten auf den Kai,
stießen und prügelten sich, es spielten sich die gleichen
Szenen ab, wie unmittelbar bei der Ankunft in der
Hafenstadt. Weggeblasen war die Ordnung, die Stephan
ihnen durch die ›Erzengel‹ hatte auferlegen lassen, es
fehlte ihm das Durchsetzungsvermögen seines ›Vicarius‹ –
denn Luc de Comminges war und blieb wie vom
Erdboden verschluckt, und die ›Kleinen Apostel‹
kümmerten sich einzig und allein darum, für jeweils ihren
Haufen die vordersten Plätze zu ergattern. Sie traten und
rauften gegeneinander wie in offener Feldschlacht, und
wieder stürzten Trauben von ineinander Verkeilten ins
Wasser des Hafenbeckens und ertranken, bevor auch nur
das erste Schiff an der hohen Mauer angelegt hatte. Viele
warteten nicht einmal das ab, sie sprangen hinunter in die
schwankenden Schiffe, versuchten die glatten Bordwände
hochzuklettern, hangelten sich an den Tauen entlang,
rissen und zerrten die von der Reling, die schon ein Bein
an Deck hatten.
    Selbst der ›Eiserne Hugo‹, dessen Bullenbeißergemüt
jeden Fleischerhund wie ein Windspiel wirken ließ, war
im ersten Moment fassungslos. Er befahl kurzerhand
seiner Mannschaft, sich mit hartem Ruderschlag von der
Kaimauer abzustoßen, und verharrte mit seinem Schiff in
der Mitte des Hafenbeckens, um abzuwarten, bis sich der
Sturm gelegt hatte. Denen, die sich schwimmend näherten,
ließ er auf Köpfe und Hände schlagen, denn er hatte in
dem Gewühl das Wägelchen mit dem Baldachin entdeckt,
das sich ebenfalls abseits der tobenden Massen hielt. Hugo
war es wichtig, Stephan, den ›Minderen Propheten‹ zu
sich an Bord zu holen, denn das würde ihm das
Kommando über diese undisziplinierten Horden
erleichtern.
    Étienne hatte keine Mühe, Melusine in der Taverne ›Zum
Traurigen Schwertfisch‹ zurückzuhalten, denn all das, was
sie vom Fenster aus sahen, ermunterte wahrlich
niemanden, der noch alle fünf Sinne beieinander hatte,
sich in diese Schlacht um die Bootsplätze zu stürzen. Von
den vier Booten, die sich dem Ansturm ausgesetzt

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