Das Kreuz des Zitronenkraemers
Ungewissheit wegen der Anzeige in ihm. „Nun ja“, versuchte Lenz mit besonnener Stimme zu besänftigen, „Herr Gritzfeld hat momentan wichtige geschäftliche Dinge zu klären und ist daher verhindert. Und aus meiner Sicht sind Sie sowieso viel besser geeignet, alleine schon aus gesundheitlicher Hinsicht.“ Da hatte er allerdings Recht. Gritzfeld war mit seinen sechzig Jahren nicht wirklich fit. Sein künstliches Hüftgelenk hatte ihm schon oft so manche Jagd versaut.
„Wann soll die Suche denn stattfinden? Und wie viele Hunde sind das denn? Nicht dass die mein ganzes Revier links machen!“, fragte Hannes skeptisch.
„Gleich morgen früh. Andreas Steinmetz, der Bruder des Mordopfers, ist bereits seit fünf Tagen verschwunden. Wir wären Ihnen bei Kooperation sehr dankbar, auch bezüglich der Bezahlung. Die Hunde bleiben selbstverständlich am Riemen.“
„Gut“, ließ Hannes sich breitschlagen, „Wo sollen wir uns treffen?“
„Am besten morgen um 9:30 Uhr am Zitronenkreuz. Soll Sie jemand abholen?“, fragte Lenz erleichtert. „Nein danke, von Fahrten in Streifenwagen hab ich vorerst genug. Dann sehen wir uns morgen früh.“ Nachdenklich machte Hannes sich auf den Weg zu Zimmer 31. Was hatte es mit diesem Andreas Steinmetz auf sich? War etwa der eigene Bruder der Mörder?
Aber was war dann mit dem mysteriösen Rolf Müller vom Tonband? Vielleicht ein Lockvogel, der das Opfer zum Zitronenkreuz lotsen sollte? Hm. Fragen über Fragen.
Zehn Minuten später saß Hannes in seinem heiß geliebten Geländewagen und fuhr Richtung Theaterparkplatz. Er würde Anne einen Überraschungsbesuch abstatten, hoffentlich war sie zu Hause. Da der Akku des Handys natürlich leer war, konnte er sie nicht anrufen. Aber gewöhnlich lag sie freitags zu dieser Zeit in der Badewanne und machte sich wochenendfein. Die Chancen standen also gar nicht schlecht. Irgendwie freute Hannes sich tierisch darauf, sie zu sehen.
*
Andreas zerrte hilflos an den Ketten, aber der schwere Eisenring in der Wand wollte nicht einen Millimeter nachgeben.
Es war zwecklos. Seine Handgelenke waren rot, seine Haut hatte bereits Risse unter den Handschellen.
Er gab auf.
Mühsam drehte er sich auf der dicken Matratze zur anderen Seite. Im schmutzig milchigen Licht der kleinen Öllampe sah er die Ratten über den Boden huschen. Sie warfen tanzende und übergroße Schatten an die Steinwände und Andreas beobachtet das Spektakel wie ein unheimliches Schauspiel.
Er war in einer Art Höhle. Einem dreckigen Loch. So schummrig wie dieser Ort war auch Andreas Hirn. Benebelt, dunkel und verworren.
So als habe er tage- und nächtelang durchgezecht. Keinen klaren Gedanken konnte er fassen.
Wo war er? Wie ist er hierher gekommen?
Der Mann mit der Maske. Der Mann mit der grinsenden Klinsmann Maske. Die Pistole in seinem Rücken, die ihn weiter getrieben hatte. Immer weiter, bis seine Welt dunkel wurde.
Sein Bruder Bernd. Der erschrockene, jämmerliche und erstaunte Blick seines Bruders, bevor er in sich zusammengesackt war.
Bernd war tot. Der Mann hatte es gesagt. Bernd war tot. Und er? Wie lange war er nun schon hier? Kein Gefühl für Zeit.
Auf irgendeine Weise musste der Mann in der Maske ihm Drogen verabreichen. Vielleicht mit dem Wasser?
Andreas wollte nicht mehr denken. Er griff nach einer Wasserflasche auf der kleinen Kiste neben der Matratze. Er nahm einen großen Schluck.
Schlafen war das Beste, was er tun konnte.
*
Anne streckte sich in der Badewanne. Aber ihr jahrelang erfolgreiches Entspannungsritual zum Beginn des Wochenendes wollte heute nicht recht funktionieren. Auch wenn die flackernden Kerzen für ein angenehmes Licht sorgten und das traditionelle Gläschen Sekt auf dem Wannenrand auf seinen ersten Einsatz wartete.
Anne versuchte, ihr neues Buch zu lesen. Der Mittelalterroman war spannend, aber sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Sie wusste jetzt schon nicht mehr, was auf der vorherigen Seite passiert war.
Mit einem Seufzen legte sie das Buch beiseite und tauchte mit dem Kopf so heftig unter Wasser, dass die Wanne am unteren Ende platschend überschwappte. Prustend tauchte sie wieder auf. Mist.
Hannes kommt heute bestimmt nicht mehr raus, überlegte sie. Sonst hätte ich doch längst was gehört! Auch ein Anruf heute Morgen in der Kanzlei von Herrn Lehnertz hatte nichts Neues zu Tage gebracht. Laut der Empfangsdame war der Herr Anwalt außer Haus und sie wisse leider zu solchen Dingen keinen
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