Das Kreuz des Zitronenkraemers
ganz.
„Wissen Sie, seit mein Karl, Gott hab ihn selig, von mir gegangen ist, habe ich immer Angst, so allein. Und jetzt das. Ein Einbruch in diesem Haus, das hat es noch nie gegeben. Aber die jungen Leute hier, die Studenten, die sperren ja nie die Haustür ab und bringen ständig Besuch mit. Langhaarige und Ausländer, Grüne und was weiß ich. Ich habe immer gesagt, dass das nicht mehr lange gut gehen wird. Früher mal war dies ein ehrenwertes Haus … Sie meine ich natürlich nicht, Fräulein Seifert“, fügte sie rasch hinzu, als sie Annes Blick bemerkte.
Durch ihre versiegelte Tür hörte Anne die Klingel schrillen. „Oh, Frau Wilhelms, könnten Sie bitte mal den Türöffner betätigen? Ich komme doch an meinen nicht ran! Keine Angst, das ist die Polizei, nun machen Sie schon“, forderte Anne die zögernde Nachbarin auf.
Endlich waren die zwei Polizisten in Zivilkleidung oben, sie zückten ihre Ausweise und stellten sich als „Spurensicherung“ vor. Einer der beiden zerschnitt mit einem Messer die Siegel und die Tür sprang von selbst auf. Es war ja auch kein funktionstüchtiges Schloss mehr da. Der zweite trug einen schwarzen Koffer. Anne folgte ihnen mit Herzklopfen in die Wohnung.
„Haben Sie hier gestern Abend irgendetwas angefasst?“, wollte der Spurensucher mit militärischem Tonfall von Anne wissen.
„Nun ja, ich sollte nachsehen, ob was fehlt. Meinen Schmuck habe ich angefasst und die Schubladen im Schlafzimmer und so … “ „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, trompete der junge, arrogant wirkende Schnösel laut. „Kann man denn den Kollegen von der Streife noch nicht mal mehr einen einzigen Tatort überlassen?“ Er polterte sich richtig in Rage und wurde von seinem Kollegen wieder auf den Boden zurückgebeamt. „Jetzt halt mal den Rand. Die Fingerabdrücke von Frau Seifert werden wir hier sowieso überall finden.“
Anne konnte das alles nicht mehr ertragen. Sie fragte zaghaft an, ob sie sich auf ihr Sofa setzen dürfe und wartete nach der Erlaubnis dazu die Untersuchungen ab. Nach 40 Minuten kam der ältere der beiden zu ihr und teilte ihr mit, dass sie nun fertig seien und die Wohnung wieder ihr gehöre.
„Und das ganze Chaos, und die Tür, das kaputte Schloss … “ Das ist nicht das Problem der Polizei, erfuhr sie von dem Arroganten. Wo kämen wir denn da hin. Der ältere erklärte Anne ruhig, dass die Polizei fürs Aufräumen und sonstige Dinge nicht zuständig sei und empfahl einen Schlüsseldienst mit Bereitschaft.
Als die beiden gegangen waren, sah Anne sich um. Wie sollte sie das alles wieder in Ordnung bringen? Außerdem waren jetzt noch an allen erdenklichen Stellen schwarze Staubfelder aufgesprüht.
Anne blätterte in den gelben Seiten. Sie rief einen Schlüsseldienst an. Eine halbe Stunde später stand ein Dickwanst im blauen Overall mit Schweißringen unter den Achseln vor ihr. Anne wählte aus dem angebotenen Sortiment ein Sicherheitsschloss aus.
Hätte sie das vorher gewusst, hätte sie ihm keinen Kaffee angeboten. 430 Euro. „Das Schloss, die Bereitschaftsgebühr, der Feiertagszuschlag … “, erläuterte der nun noch mehr schwitzende Mann. „Ich säße jetzt auch lieber beim Sonntagsbraten.“ Anne nahm die Rechnung entgegen, soviel hatte sie nicht im Haus.
Endlich allein ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Dann klingelte das Handy. Anne sah aufs Display. HANNES RUFT AN verkündete es blinkend wie ein Weihnachtsbaum. Toll, dachte Anne, gibt’s den auch noch?
„Nett, dass du anrufst“, meldete sie sich bockig.
Hannes entschuldigte sich mindestens tausendmal. Er war gestern Abend etwas angesäuselt und hatte das Blinken des Anrufbeantworters nicht bemerkt. Bis eben. Er hatte verschlafen. Sein Handy? Keine Ahnung, wo es war. Anne schluchzte ins Telefon und war gleichzeitig wütend wie ein Stier. Er, Hannes, würde sofort losfahren und Anne sogleich abholen. Außerdem musste er ihr unbedingt erzählen, was er alles von seinen Jägerkollegen gestern Abend erfahren hatte.
„Du kannst mich mal mit deinem Jägerlatein“, brüllte Anne in den Hörer. „Ich war für dich sofort zur Stelle, als du mich gebraucht hast!“ Mit diesen Worten drückte Anne den Auflegknopf. Schade, dass dies kein altes Telefon ist, überlegte Anne grimmig, dann hätte ich den Hörer wie es sich gehört auf die Gabel knallen können.
Nachdem die größte Wut verraucht war, tat Hannes ihr ein bisschen leid. Nun hatte er den ganzen Frust abgekriegt. Aber für den Einbruch
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