Das Kreuz des Zitronenkraemers
und seinen lahmen Nikolaus warten.“ Mist. Dieser eine Gedanke genügte schon, um ihre eben noch wie weggeblasene trübsinnige Stimmung wieder hervorzulocken.
Pam blieb stehen, hob den Schweif zur Seite und ließ daraufhin erstmals ein paar saftig grüne Pferdeäpfel fallen. Genau, dachte Anne, scheiß doch drauf.
Sie stieg ab und band Pam an einen Baum neben dem Zitronenkreuz.
Anne ließ sich auf die Bank sinken.
„Sag mal Ambrosius,“ wandte sie sich an das alte Steinkreuz, „wart ihr Männer zu deiner Zeit auch schon Schweine? Ich meine, ich habe Hannes grad mal verlassen und schwupps, hat er schon `ne neue am Haken. Nicht, dass mir das was ausmachen würde, ich mein ja nur, von wegen, große Liebe und so, die ich ja angeblich für ihn war.“
Anne wartete vergebens auf Antwort. Das Denkmal rührte sich nicht. „Klar steckt ihr Kerle alle unter einer Decke. Weißt du, ich dachte nur, du wärst auf meiner Seite, irgendwie sind wir doch miteinander verbunden. Schließlich wohne ich heute in dem Haus, das du damals gebaut hast. Ist doch witzig, oder?“ Ambrosius hielt sich immer noch bedeckt. „Eigentlich musst du doch gesehen haben, wer diesen Steinmetz umgebracht hat, war doch direkt vor deiner Nase. Also, wenn du mich fragst, war es der Bruder. Der hat ihn abgeknallt, sich seine fette Brieftasche gekrallt und liegt jetzt neben einer exotischen Schönheit in der Karibik am Strand. Und wenn dann erst mal Gras über die Sache gewachsen ist, dann kommt er zurück, tritt sein Erbe an und wird König eines riesigen Schmuckimperiums.“
Mit einem plötzlichen lauten Schnauben sprang Pam ruckartig zur Seite und starrte ängstlich in ein nahe gelegenes Weizenfeld. Auch Anne sprang auf. Dort bewegte sich etwas. Anne hielt vor Schreck den Atem an. Dann kam das Ungeheuer hervor. Ein kleines Reh stürmte aus dem Feld und war schon bald im Schutz des Waldrandes verschwunden. „Du brauchst keine Angst zu haben“, rief Anne dem flüchtenden Tier hinterher, „Hannes ist nicht hier. Der hätte dich natürlich eiskalt abgemurkst und aus deinem Fell eigenhändig eine nette Pelzstola für seine feine Zimtzicke genäht …“
Pam hatte sich inzwischen beruhigt und widmete sich bereits wieder dem saftigen Gras.
Da waren sie ja schon wieder, die Gedanken an Hannes. „Dabei war ich es doch, die ihn abserviert hat“, erzählte sie der Stute. Und trotzdem regte sich dieser kleine Teufel Eifersucht mitten in ihrem Herzen. „Ach Quatsch, von wegen Eifersucht, ich bin einfach nur sauer, weil er die Verabredung mit mir hat sausen lassen, und lieber mit dieser … dieser … aufgemotzten Schnepfe durch die Gegend zieht“, beruhigte sie sich selbst.
„Hannes glaubt ja eher, dass es einer der Jäger war“, wandte sie sich wieder Ambrosius zu. „Aber würde jemand einen anderen Menschen für ein Stück Wald töten? Andersrum, ich weiß es ja von Hannes, vielen Jägern ist ihr Revier das Heiligste, was es gibt. Menschen haben schon für viel weniger andere Menschen umgebracht. Warum hat dein Diener dich eigentlich getötet, Ambrosius? Nur wegen ein paar Zitronen?“
Eine plötzlich aufkommende Windböe ließ die Äste der nahen Bäume hin und her schwanken und eine Schar aufgeschreckter Vögel erhob sich laut kreischend in die Lüfte.
Anne bekam es mit der Angst zu tun und band die Stute los. Sie schwang sich in den Sattel und ritt den alten Moselhöhenweg entlang. So langsam werde ich ein bisschen verrückt, dachte Anne, ich unterhalte mich mit Denkmälern, Wappen und Toten. Ich habe Angst vor Rehen und ein paar kreischenden Vögeln. Ich sollte vielleicht etwas dagegen tun, `ne Therapie oder so.
Der Weg führte an einer eingezäunten Apfelplantage vorbei. An einem der Bäume arbeitete ein Mann unter einem riesigen Strohhut, wohl zum Schutz vor der Sonne. Er schaute kurz auf, als Anne einen Gruß hinüber rief, wandte sich aber abrupt wieder seiner Arbeit zu. Unfreundlicher Zeitgenosse, regte Anne sich auf. Irgendwie kam ihr der Mann bekannt vor, aber soviel sie auch nachdachte, sie kam nicht darauf, woher. Vermutlich bin ich ihm einfach schon öfter beim Ausreiten begegnet, mutmaßte sie schließlich.
Zurück im Stall versorgte Anne ihre Stute und gab ihr zum Abschied noch ein Möhrchen am Koppelzaun. „Bis Morgen, Süße“, noch einen kleinen Klaps aufs dicke Hinterteil und Pam stürmte freudig in die Mitte der Herde.
Anne hängte das Halfter weg und beschloss, sich noch ein wenig zu ein paar Reiterkollegen auf
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