Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
ja, du hast nicht ganz Unrecht. Richtig scharf wird es dadurch tatsächlich noch nicht, aber durch das Strecken in beide Richtungen bekommt die Klinge zwei Schneiden. Die sind erst einmal noch stumpf, werden dann mit Ziehmesser und Feilen nachgearbeitet und bekommen erst später nach dem Härten ihre ganze Schärfe durch das Polieren.« Ellen betrachtete den Rohling zufrieden, prüfte die Klinge noch einmal und richtete sie ein wenig. »Gute Arbeit«, lobte sie sich selbst. »Schluss für heute. Morgen fange ich mit dem Schärfen an. Ab jetzt schaffe ich es übrigens allein.«
»Darf ich trotzdem weiter zusehen?«, fragte Jean vorsichtig.
»Wann immer du willst!«, freute sich Ellen.
»Als Nächstes werde ich dann die Oberfläche schlichten unddie Hohlkehlen ziehen. Und dann wird es nicht nur richtig interessant, sondern auch gefährlich!« Ellen machte eine Pause, um die Spannung zu steigern, und sah Jean an. »Denn dann kommt das Härten dran – und damit der Augenblick der Wahrheit.« Auf dem Heimweg erklärte sie ihm voller Begeisterung, warum das Härten so wichtig und gleichzeitig so schwierig war. »Du musst es im Gefühl haben!« Ellen fasste sich mit einer dramatischen Bewegung ans Herz. »Es kommt von hier! Ist eine Mischung aus … Ja, aus was eigentlich genau?« Sie überlegte einen Augenblick. »Es ist eine Mischung aus Erfahrung und dem richtigen Gespür.«
»Dem richtigen Gespür?«
»Ja, so eine Art Vorahnung. Die muss man einfach haben, um ein guter Schwertschmied zu werden.«
»Und woher weiß man, ob man das richtige Gespür hat?«
»Oh, das bekommt man schon in den ersten Lehrjahren heraus.« Ellen kniff ihn in die Wange und erntete einen zornigen Blick.
»Ach, und wenn man dann nach ein paar Jahren feststellt, dass man es doch nicht hat? Dann war die Lehrzeit wohl umsonst?«
»Na ja, ohne dieses Gespür wagt man sich wohl besser erst gar nicht an Schwerter heran. Sie sind die Krönung der Schmiedekunst, verstehst du?«
»Na, hör mal, das klingt aber ganz schön eingebildet.«
Ellen sah ihn erstaunt an. »Findest du? Ich kann nichts Schlechtes daran finden, seine Fähigkeiten zu kennen und das zu tun, was man am besten kann. Bei mir sind das eben die Schwerter. Ob einer ein schlechter, ein guter oder ein hervorragender Steinmetz, Schreiner oder eben Schmied wird, hängt doch nur davon ab, mit welchem Können Gott ihn bedacht hat. So einfach ist das. Und genauso, wie es nicht jedem Priester vergönnt ist, Bischof zu werden, ist es nicht jedem Schmied gegeben, ein Schwertschmied zu werden.«
»Nur habe ich gehört, es bedürfe vor allem guter Beziehungenund nicht unbedingt einer besonderen Begabung, um ein hohes Kirchenamt zu bekleiden«, widersprach Jean.
Ellen zuckte gelangweilt mit den Achseln. »Beim Schlichten kannst du mir noch einmal helfen, willst du?«, lenkte sie ab.
»Schlichten? Hat es denn Streit gegeben?« Jean bemühte sich, betont einfältig auszusehen.
»Ach du! Schlichten heißt so viel wie glätten«, erklärte sie. »Hilfst du mir nun oder nicht?«
»Aber klar!« Jean nickte begeistert.
Als er am nächsten Tag in der Schmiede erschien, hatte Ellen schon alles vorbereitet. Auf dem Amboss lag ein Werkzeug, das Jean noch nie zuvor gesehen hatte.
»Und damit willst du die Klinge glätten?«, fragte er skeptisch.
Ellen drückte ihm den Rohling in die Hand. »Die Hammerbahn hat Mulden und Narben auf der Klinge hinterlassen. Hier, sieh nur, wie rau und ungleich die Oberfläche ist. Mit dem Schlichthammer hier …« Ellen holte das Werkzeug vom Amboss. »Mit dem wird die Klinge jetzt nachbearbeitet. Siehst du, wie breit seine Hammerbahn ist?«
Jean nickte. Der Hammer lief auf der einen Seite in einem fast handtellergroßen Viereck aus.
»Damit es nicht wieder neue Vertiefungen gibt, schlägt man nicht mit dem Schlichthammer selbst zu, sondern mit dem Vorschlaghammer oben auf den Hammerkopf.«
»Ähm, das habe ich jetzt nicht ganz verstanden«, wandte Jean unsicher ein.
»Halt die Klinge mit der Linken und den Schlichthammer mit der anderen. Der Hammer muss im rechten Winkel auf der Klinge liegen. Ich werde es dir vormachen. So, siehst du?«
Jean nickte. Nachdem er den Schlichthammer das erste Mal weitergerückt hatte, konnte er bereits ahnen, wie gut die Klinge mit dieser Technik geglättet wurde.
Mit einem Werkzeug, das einem Ziehmesser, wie es die Schreiner benutzten, ähnelte, schabte Ellen in beide Klingenflächen eine Hohlkehle und schärfte die Schneiden
Weitere Kostenlose Bücher