Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
geschenkt, ohne jemals auch nur eine Spur Zurückhaltung zu zeigen, weil ich Jüdin bin. Sie hat mir ihre Freundschaft und ihre Dankbarkeit geschenkt. Und durch sie habe ich Madeleine mit den dunklen Wolken auf dem Gemüt kennen gelernt und erlebt, wie schön es ist, sie befreit lachen zu sehen. Ehrlich gesagt wüsste ich nicht, wie man das Glück, den Gesang, das Lachen und diesen liebenswerten, tollpatschigen Hund, den ihr in mein Haus gebracht habt, mit Geld aufwiegen könnte. Ihr habt alle drei – Verzeihung, mit Graubart seid ihr ja zu viert – mein Leben bereichert. Ihr schuldet mirnichts, gar nichts, außer vielleicht dem Versprechen, mich zu besuchen, solltet ihr mal wieder in der Nähe sein.«
Jean war so sicher gewesen, dass sie als Jüdin einen gehörigen Batzen Geld von ihnen verlangen würde, dass er blass vor Scham wurde. »Ich danke Euch von ganzem Herzen, Ruth, und bitte Euch um Verzeihung, weil ich wenig schmeichelhafte Gedanken hatte, für die ich mich ernsthaft schäme«, sagte er reumütig.
»Du bist ein guter Junge, Jean. Hast es nicht immer leicht mit Madeleine gehabt, was? Und Ellenweore ist sicher auch nicht immer einfach!«, sagte sie schmunzelnd und nahm Jean in den Arm. »Gute Menschen wie ihr sind mir immer willkommen. So hat es mein Mann gehalten, und so führe ich es fort.« Es entstand ein kurzes, verlegenes Schweigen zwischen den beiden. Dann klopfte ihm Ruth auf den Arm. »Geh jetzt Ellen und Madeleine holen, ihr müsst los.«
Der Abschied war tränenreich. Nur der Hund nahm es gelassen, was vermutlich daran lag, dass er nicht begriff, was Abschied nehmen bedeutete. Ruth nahm alle nacheinander in den Arm und drückte sie. Jedem flüsterte sie etwas ins Ohr, das keiner der anderen hören konnte, und für jeden schien sie die richtigen Worte gefunden zu haben, denn alle nickten brav, wischten sich die Tränen aus dem Gesicht und gaben sich größte Mühe, nicht mehr so traurig auszusehen.
Jean hielt Nestor am Zügel und wollte Ellen helfen aufzusteigen.
»Ich möchte erst ein Stück laufen. Ich hab sicher nicht genug Kraft, um sehr weit zu gehen, aber ich muss mich ja langsam wieder daran gewöhnen.«
»Wenn du merkst, dass sie müde wird, bestehst du darauf, dass sie aufsteigt, hörst du?«, beschwor Ruth ihn, fixierte dabei aber Ellen. »Überanstrenge dich nicht gleich, ja?«
»Versprochen!« Ellen fasste Ruth bei der Hand. »Ich wünschte, meine Mutter wäre wie du gewesen!«
»Ihr müsst jetzt gehen, sonst kommt ihr heute gar nicht mehr los!«, sagte Ruth und wischte sich die Tränen mit dem Handrücken fort.
Neun Tage brauchten sie zu Fuß, und jeden Tag schaffte Ellen ein paar Meilen mehr. Am Ende ihrer Reise fühlte sie sich so stark wie früher. Es war bereits später Nachmittag, als sie in der Nähe von Chartres ankamen. Viele Händler und Handwerker bauten schon auf dem Platz ihre Stände und Zelte auf. Pierre war noch nicht eingetroffen. Ellen und Jean beeilten sich, einen guten Standort für ihr Zelt zu finden, und stellten es in kürzester Zeit auf.
Während Madeleine ihre Sachen ordnete und eine Mahlzeit vorbereitete, schlenderten Ellen und Jean über den Platz.
»Dort ist der Stand des Schildmachers!«, rief Jean und lief voran.
Ellen ging ihm langsam nach und streunte um den Stand herum, während Jean bereits mit dem Meister im Gespräch war.
»Ich hab ihr gesagt, dass Euer Leim der beste ist.«
»So, du bringst mir einen neuen Kunden, das ist aber nett! Ich habe den Leim heute Morgen gemacht«, sagte der Schildmacher, beachtete Ellen jedoch nicht.
»Dann lasst doch mal sehen!«, sagte sie deshalb laut und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Sie wusste, dass Männer ihr Lächeln mochten, und es war immer gut, die Sympathie desjenigen zu gewinnen, dem man etwas abkaufen wollte.
»Du bist also die Schmiedin?«
»Das ist richtig«, antwortete Ellen freundlich.
»Und wozu braucht eine Schmiedin Leim? Kriegst du das Eisen nicht geschweißt?« Der Schildmacher schlug sich auf die Schenkel und bekam kaum noch Luft vor lauter Lachen.
Ellen ließ sich ihre Verärgerung nicht anmerken. »Ihr gestattet?« Sie ging zu dem Topf und rührte die Masse darin um. Der Leim war offensichtlich von guter Qualität, durchsichtig trocknendund fest, das konnte man am Rand des Topfes sehen. Ellen roch daran, stippte ihren Finger hinein, der Hitze gewöhnt war, und leckte kurz daran. Dann nickte sie Jean zu, und der handelte einen guten Preis für sie aus.
»Bist ein
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