Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
drehte sich auf der Stelle um und hastete zurück ins Haus.
»Ich denke, die Wunde am Kopf muss genäht werden«, sagte Jean, nachdem er Leofric auf das von Rose in Windeseile bereitete Strohlager gebettet hatte.
Ellen beugte sich zu ihrem Bruder hinunter und strich ihm über die fahle Wange. Aus der Kopfwunde war viel Blut gesickert und hatte seine Haare verklebt.
»Ich habe zwar ein paar Mal zugesehen, wie Marcondé und die anderen sich gegenseitig ihre Wunden genäht haben, aber gemacht habe ich das noch nie«, sagte Jean kleinlaut. »Vielleicht sollten wir einen Baderchirurgen holen.«
»Der Bader von Orford ist ein zittriger alter Saufbold, schmutzig und unzuverlässig. Niemals lasse ich ihn Hand an Leofric legen. Lieber mache ich es selbst, auch wenn ich es noch nie versucht habe!«, antwortete Ellen entschlossen.
Rose hatte währenddessen bereits Nadel und Faden herausgesucht. » Ich werde das machen!«, erklärte sie entschieden.
»Du?«, fragten Jean und Ellen wie aus einem Mund und blickten sie erstaunt an.
»Ich habe Thibault mehr als einmal wieder zusammengeflickt.Der Bader des jungen Königs hat es mir einmal gezeigt, weil er bei den Turnieren so viel zu tun hatte. Von da an habe ich es immer gemacht. Thibault fand, dass ihn meine Stiche weniger entstellten, vor allem im Gesicht.«
»Eitler Widerling!«, schnaubte Jean.
Ellen bemerkte nicht, dass er rot angelaufen war, während Rose von Thibault sprach.
Bedächtig setzte Rose sich auf Leofrics Lager, legte ein altes Wolltuch auf ihren Rock, um diesen vor Blutflecken zu schützen, und bettete den Kopf des Jungen darauf. »Jemand muss ihn festhalten. Im Moment ist er bewusstlos, aber durch den Schmerz beim Nähen wird er sicher aufwachen und wild um sich schlagen.« Rose wirkte so ruhig, als hätte sie nie etwas anderes getan.
»Ich mach das schon!« Ellen setzte sich neben ihren Bruder und hielt seine Arme und seinen schmalen Oberkörper fest, indem sie sich quer über ihn legte.
Gekonnt reinigte Rose die verkrustete Wunde mit warmem Wasser, bis das Blut wieder zu laufen begann. Dann nähte sie die Wunde mit einem guten Dutzend Stichen zu.
»Gefällt mir gar nicht, dass er nicht aufwacht«, brummte Jean, als Leofric sich nicht rührte.
»Alles, was wir jetzt noch tun können, ist beten und warten. Wenn der Schlag nicht gar zu heftig war, wacht er hoffentlich bald wieder auf. Armer Leofric!« Rose küsste ihn auf die Wange. »Meine Güte, er glüht ja! Wir müssen ihm seine Kleider ausziehen, sie sind ganz nass im Rücken. Jean, hol zwei Wolldecken, in die wir ihn einwickeln können.«
Als sie ihm die Schuhe auszog, sah Rose, dass seine Zehen ganz blau vor Kälte waren, und begann, sie vorsichtig zu massieren.
»Wenigstens wird er seine Zehen nicht verlieren!«, stellte sie nach einer Weile zufrieden fest, nachdem sie wieder ihre normale Farbe angenommen hatten.
Die erste Nacht wachte Ellen bei ihrem Bruder, danach saß immer abwechselnd einer von ihnen an Leofrics Lager. Das Fieber blieb drei Tage lang hoch und sank dann etwas. Die Wunde am Kopf begann zu heilen, aber Leofric war noch immer nicht erwacht. Vorsichtig flößten sie ihm mit einem Löffel Wasser und Hühnerbrühe ein, alles lief ihm die Kehle hinab, aber er schien nicht zu schlucken.
»Warum wachst du nicht endlich auf?« Ellen drückte immer wieder verzweifelt seine Hand, aber ihr Bruder rührte sich nicht.
Am Morgen des zehnten Tages öffnete er seine Augen. Voller Freude sprang Ellen an sein Lager. Doch Leofric schien sie nicht zu bemerken. Er sah beinahe aus wie tot, obwohl er noch atmete.
Ellen fühlte sein Herz schlagen, aber trotz seiner geöffneten Augen schien er sich noch immer in einem Dämmerzustand zu befinden. Ellen spürte, wie die Verzweiflung in ihrem Herzen wuchs – und der Hass auf die Wilderer, die ihm das angetan hatten.
Auch bei der Arbeit in der Schmiede fehlte ihnen Leofrics fröhliches Geschwätz. Würde er je wieder zu ihnen zurückkommen?
Seit die Garnison der Burg wieder auf wenige Männer zusammengeschrumpft war, weil Frieden herrschte, waren größere Aufträge ausgeblieben. Waffen wurden kaum noch bestellt. Immer öfter mussten Ellen und Jean wieder Werkzeug schmieden, um überleben zu können, und Ellen begann, an ihren ehrgeizigen Zielen und Träumen zu zweifeln. An manchen Tagen war sie so niedergeschlagen, dass sie gar nicht in die Werkstatt ging. Dann setzte sie sich schweigend an Leofrics Lager und hielt seine Hand, oder lief
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