Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth der Ratten

Das Labyrinth der Ratten

Titel: Das Labyrinth der Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Übernatürlichen?‹«
    »Aber sie müssen geschützt werden«, warf Lars ein.
    »Wovor?«
    »Vor allem. Sie verdienen Schutz; sie glauben, daß wir unsere Pflicht tun.«
    Nach einer Pause sagte Pete: »Waffen bieten keinen Schutz mehr. Heute nicht mehr. Nicht mehr seit – Sie wissen ja. 1945. Als man diese Japsenstadt ausradierte.«
    »Aber die Leute glauben das Gegenteil«, sagte Lars. »Es scheint einen zu geben.«
    »Und das ist es, was sie zu bekommen scheinen.«
    »Ich glaube, ich bin krank«, sagte Lars. »Ich wirke an einer Wahnwelt mit. Ich hätte ein gewöhnlicher Mensch sein sollen – ohne mein Talent als Medium wäre ich es, ich würde nicht wissen, was ich weiß; ich säße nicht im Inneren und sähe hinaus. Ich wäre einer der Fans von Lucky Bagman und seiner morgendlichen TV-Interviewsendung, der akzeptiert, was ihm erzählt wird, der weiß, daß es wahr ist, weil er es in all den Ste reofarben, echter als das Leben, auf dem großen Bildschirm gesehen hat. Es geht, wenn ich im Dämmerzustand bin, in der verdammten Trance; da bin ich voll und ganz beteiligt. Nichts verhöhnt mich aus einem Gehirnwinkel.«
    »›Verhöhnt‹ Sie? Was meinen Sie damit?« Pete sah ihn besorgt an.
    »Höhnt in Ihnen nichts?« Lars war entgeistert.
    »Aber nein! In mir sagt etwas: Du bist doppelt soviel wert, wie sie dir bezahlen. Das ist es, was etwas in mir sagt, und es hat recht. Das möchte ich eines Tages bei Jack Lanferman vorbringen.« Pete funkelte in selbstgerechtem Zorn vor sich hin.
    »Ich dachte, Sie empfinden genauso«, sagte Lars. Und wenn er es sich recht überlegte, hatte er angenommen, daß alle, sogar General George McFarlane Nitz, zu dem, was sie taten, in der gleichen Beziehung standen wie er: korrumpiert von Scham, befallen von einem Schuldbewußtsein, das verhinderte, daß er irgend jemandem in die Augen sehen konnte.
    »Gehen wir hinunter und trinken wir an der Ecke eine Tasse Kaffee«, sagte Pete. »Zeit für eine Pause.«

    5

    Das Kaffeehaus als Institution hatte, wie Lars wußte, eine lange Geschichte hinter sich. Diese eine Erfindung hatte zur Zeit Samuel Johnsons den Staub aus den Gehirnwinkeln der englischen Intellektuellen gekehrt, den aus den Pubs des siebzehnten Jahrhunderts ererbten Dunst vertrieben. Heimtücke hatten Stout, Südwein und Ale hervorgebracht – nicht Weisheit, funkelnden Witz, Poesie oder auch nur politische Klarsicht, sondern trübes Ressentiment, auf Gegenseitigkeit und alles durchdringend, zu religiöser Bigotterie entartend. Dies und die Pest hatten eine große Nation dezimiert.
    Der Kaffee hatte die Umkehr gebracht. Die Geschichte hatte eine entscheidende Wendung genommen ... und all das wegen ein paar Bohnen, gefroren im Schnee, entdeckt von den Verteidigern Wiens, nachdem die Türken abgezogen waren.
    Und hier, schon in einer Nische, die Tasse in der Hand, saß die kleine, hübsche Miss Bedouin; ihre spitzen, silberverzierten Brüste waren modisch sichtbar. Sie begrüßte ihn, als er hereinkam.
    »Mr. Lars! Setzen Sie sich zu mir, okay?«
    »Okay«, sagte er, und er und Pete nahmen Platz.
    Pete betrachtete Miss Bedouin, verflocht die Finger ineinander und stützte die behaarten Arme auf den Tisch. Er sagte zu ihr: »He, wie kommt es, daß Sie die Kleine nicht ausstechen, die sein Büro in Paris leitet, diese Maren Soundso?«
    »Mr. Freid«, sagte Miss Bedouin, »ich bin an niemandem sexuell interessiert.«
    Pete sah Lars grinsend an.
    »Sie ist offen.«
    Offenheit, dachte Lars, bei Mr. Lars Inc. Welche Ironie! Pure Verschwendung. Aber Miss Bedouin wußte ja auch gar nicht, was gespielt wurde. Sie gehörte in höchstem Maß zur Masse. So, als sei die Zeit vor dem Fall für rund vier Milliarden Bürger von Wes-Block und Foks-Ost wiederhergestellt worden. Die Last, die einst auf allen gelegen, ruhte nun allein auf den Cogs. Die Cognoscenti hatten ihre Rasse von einem Fluch befreit ... wenn ›Cog‹ wirklich davon abgeleitet war und nicht, wie er argwöhnte, von einem englischen, statt von einem italienischen Wort.
    Die englische alte Definition war ihm stets beinahe übernatürlich passend erschienen. Cog. Seinen Finger als eine Art Welle benutzen, um die Würfel zu lenken oder festzuhalten, also täuschen, hereinlegen, betrügen.
    Aber ich könnte auch offen sein, dachte er, wenn ich nichts weiter wüßte; ich sehe darin kein besonderes Verdienst. Schon seit dem Mittelalter ist dem Narren – nichts für ungut, Miss Bedouin – die Freiheit gewährt worden, seine

Weitere Kostenlose Bücher