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Das Labyrinth der Ratten

Das Labyrinth der Ratten

Titel: Das Labyrinth der Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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ungewöhnliche Weise mitfühlend. »Du kannst die unfaßbare Wahrheit einfach nicht fassen. Sie können es nicht.«

    7

    Nach dem Abendessen suchten sie Marens Pariser Wohnung auf. Er ging im Wohnzimmer herum und wartete, während Maren sich, wie Jean Harlow sich einmal in einem uralten, aber immer noch wirkungsvollen Film ausgedrückt hatte, ›etwas Bequemeres anzog‹.
    Dann stieß er auf ein Gerät, das auf einem niedrigen Tisch aus imitiertem Tarselholz stand. Es kam ihm undeutlich bekannt vor, und er hob es auf, drehte und wendete es neugierig. Vertraut – und doch völlig fremd.
    Die Schlafzimmertür stand halb offen.
    »Was ist das?« rief er. Er konnte sie verschwommen, in der Unterwäsche, zwischen Schrank und Bett hin- und hergehen sehen. »Es sieht aus wie ein menschlicher Kopf ohne Züge. So groß wie ein Baseball.«
    »Das ist von 202«, rief Maren fröhlich.
    »Mein Entwurf?« Er starrte den Gegenstand an. Umgeschmiedet. Das war das Produkt für den Einzelhandelsmarkt, entstanden aus der Entscheidung eines der Beisitzer im Ausschuß. »Was leistet es?« fragte er, als er keine Schalter fand.
    »Es amüsiert.«
    »Wie?«
    Maren tauchte kurz in der Tür auf. Sie hatte nichts an.
    »Sag etwas dazu.«
    Lars sah sie an und sagte: »Ich bin mehr amüsiert, wenn ich dich ansehe. Du hast gute drei Pfund zugenommen.«
    »Stell dem Orville eine Frage«, sagte Maren. »Der alte Orville ist der letzte Schrei. Die Leute schließen sich tagelang damit ein, nur um zu fragen und Antworten zu bekommen. Er ersetzt die Religion.«
    »Es gibt keine Religion«, antwortete er ernsthaft. Seine Erfahrungen mit dem hyperdimensionalen Reich hatten ihn von jedem dogmatischen oder andächtigen Glauben befreit. Wenn irgendein Lebender das Recht hatte, zu behaupten, er besäße Wissen über die ›nächste Welt‹, dann war er es, und bislang hatte er an ihr noch keinen transzendentalen Aspekt entdecken können.
    »Dann erzähl ihm einen Witz«, sagte Maren.
    »Kann ich ihn nicht einfach wieder hintun, wo ich ihn gefunden habe?«
    »Es ist dir wirklich ganz gleichgültig, wie deine Erfindungen umgeschmiedet werden?«
    »Ja, das ist ihre Sache.« Aber er versuchte, sich an einen Witz zu erinnern. »Was hat sechs Augen«, sagte er, »geht der Entropie entgegen, trägt einen steifen Hut ...«
    »Kannst du keinen ernsthaften Witz erzählen?« fragte Maren. Sie ging ins Schlafzimmer zurück und zog sich wieder an. »Lars, du bist auf polymorphe Weise pervers.«
    »Hm«, brummte er.
    »Im schlechten Sinn. Der Instinkt zur Selbstzerstörung.«
    »Lieber das, als der Instinkt zum Mord«, sagte er. Vielleicht konnte er Orville diese Frage stellen. Er sagte zu der harten, kleinen Kugel in seiner Hand: »Mache ich einen Fehler, wenn ich Selbstmitleid spüre? Wenn ich mich gegen oben wehre? Wenn ich in meiner Kaffeepause mit einem sowjetischen Beamten spreche?« Er wartete; nichts geschah. »Wenn ich glaube«, fuhr er fort, »es sei Zeit, daß jene, die behaupten, sie stellten Maschinen zum Töten und Verstümmeln und Verwüsten her, die ethische Verantwortung besitzen sollten, wirklich Maschinen herzustellen, die töten und verstümmeln und verwüsten, statt Maschinen, die einen komplizierten Vorwand darstellen, schließlich ein Nichts hervorzubringen, eine dekadente Neuheit wie dich?« Wieder wartete er, aber der alte Orville blieb stumm.
    »Das Ding ist defekt«, rief er Maren zu.
    »Laß ihm Zeit. Es hat vierzehntausend Mikroteile; sie müssen hintereinander funktionieren.«
    »Du meinst, das ganze Lenksystem aus 202?« Er starrte Orville entsetzt an. Ja, natürlich; diese Kugel hatte genau Größe und Form des Lenksystems von 202. Er begann über die Möglichkeiten nachzudenken. Sie konnte Probleme, die mündlich gestellt wurden, lösen, statt auf Loch- oder Eisenoxydband, bis zu einer Größenordnung von sechzig Bestandteilen. Kein Wunder, daß sich das Ding Zeit ließ, um ihm zu antworten. Er hatte ein Supergerät in Betrieb genommen.
    Vermutlich würde er das mit keinem Entwurf mehr übertreffen. Und hier war, der alte Orville, eine Neuheit, um die leere Zeit und die leeren Gehirne von Männern und Frauen auszufüllen, deren Beschäftigung zu eintönigen psychomotorischen Handlungen auf einer Ebene herabgesunken war, wo eine dressierte Taube mehr leistete. Mein Gott! dachte er. Meine schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt!
    Lars P., dachte er, erinnerte sich an Kafkas Erzählungen und Romane, erwachte eines Morgens und

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