Das Labyrinth der Ratten
videomatischer 3D-Tiefe etwas photografierte, das es gar nicht gab. Setz nichts herab, bevor du es probiert hast, dachte er. Denn scharfe ultrastereophone, videomatische 3D-Tiefenaufnahmen von Gebilden herzustellen, die nicht existieren, ist nicht leicht. Wir haben fünfzehntausend Jahre dazu gebraucht.
Laut sagte er: »Die Priester im alten Ägypten. Circa Herodotus.«
»Bitte?« fragte Pete.
»Sie haben hydraulischen Druck verwendet, um aus der Ferne Tempeltüren zu öffnen«, sagte Lars. »Wenn sie die Arme hoben und zu den Göttern mit den Tierköpfen beteten.«
»Da komme ich nicht mit«, erklärte Pete.
»Sie kommen nicht mit?« wunderte sich Lars. Für ihn war das so naheliegend. »Es ist ein Monopol, Pete. Das ist es, was wir erreicht haben, ein Monopol. Das ist der springende Punkt.«
»Sie sind übergeschnappt«, knurrte Pete. Er drehte die leere Kaffeetasse am Henkel hin und her. »Lassen Sie sich von dem Foks-Ost-Lakaien nicht durcheinanderbringen.«
»An dem liegt es nicht.« Lars wollte deutlich machen, was er meinte; er spürte das Bedürfnis. »Unterhalb von Monterey«, sagte er, »wo niemand es sehen kann. Wo ihr die Prototypen ausprobiert. Großstädte in die Luft gejagt, Satelliten abgeschossen ...« Er verstummte. Pete wies mit dem Kopf warnend auf Miss Bedouin mit den spitzen Silberbrüsten. »Ein Igel-Satellit«, sagte Lars bedächtig und meinte die unheimlichsten, die es gab. Die Igel wurden für unangreifbar gehalten, und von den mehr als siebenhundert Erdsatelliten, die derzeit kreisten, waren beinahe fünfzig Igel. »Artikel 221«, sagte er. »Die Ionisierungs-Fische, die zu Molekülen zerfielen und als Gas sich ...«
»Halten Sie den Mund«, sagte Pete rauh.
Sie leerten stumm ihre Tassen.
6
An diesem Abend traf Lars Powderdry sich mit seiner Geliebten Maren Faine im Pariser Zweigbüro von Mr. Lars Inc., wo Maren ein Büro betrieb, das so kunstvoll gestaltet war wie –
Er suchte nach dem richtigen Vergleich, aber Marens ästhetischer Geschmack entzog sich der Beschreibung. Mit den Händen in den Taschen schaute er sich um, als Maren im Waschraum verschwand, um sich für die reale Welt herzurichten. Für sie begann das Dasein, wenn der Arbeitstag endete. Und das trotz der Tatsache, daß sie eine leitende Stellung bekleidete. Von der Logik her gesehen, hätte sie karrierebewußt sein müssen, so hingegeben ihrem Beruf wie der finsterste, verbissenste Calvinist.
Aber so war es nicht gekommen. Maren war neunundzwanzig, ziemlich groß – ohne Schuhe 1,70 m – mit leuchtend roten Haaren. Nein, nicht rot; es war die Farbe von Mahagoni, poliert, nicht wie die Imitation mit aufgedruckter Maserung, sondern echtes Mahagoni. Ja, Marens Haarfarbe hatte sich als authentisch erwiesen. Sie erwachte leuchtend, die Augen hell wie – Quatsch, dachte er. Was spielte das für eine Rolle? Wen kümmerte das um halbacht Uhr morgens? Eine schöne, wache, ein wenig zu große Frau, lebhaft und graziös und kräftig um diese Tageszeit, war eine Beleidigung der Vernunft und ein Greuel für das Geschlechtliche, denn was machte man mit ihr? Jedenfalls nach den ersten paar Wochen. Man konnte ja nicht immer einfach weitermachen ...
Als Maren, den Mantel über den Schultern, ins Büro zurückkam, sagte er: »Was hier vorgeht, kümmert dich im Grunde gar nicht.«
»Du meinst das Unternehmen? Die Firma?« Ihre Katzenaugen öffneten sich weit und fröhlich; sie war ihm weit voraus. »Hör mal, du kannst meine Soma nachts und meinen Geist den ganzen Tag haben. Was willst du noch?«
»Ich hasse Bildung«, sagte Lars. »Ganz im Ernst. Soma. Wo hast du denn das gelernt?« Er fühlte sich hungrig, gereizt, unzufrieden. Wegen der unsinnigen geltenden Zeitzonenberechnung war er praktisch seit sechzehn Stunden auf den Beinen.
»Du haßt mich«, sagte Maren im Tonfall einer Eheberaterin. Ich kenne deine wahren Motive, sollte das heißen. Und es hieß auch: Und du kennst sie nicht.
Maren sah ihm offen ins Gesicht, furchtlos allem gegenüber, was er tun oder sagen mochte. Er überlegte, daß er, obwohl er sie theoretisch jeden Tag hinauswerfen oder nachts aus seiner Wohnung in Paris stoßen konnte, in Wirklichkeit keine Gewalt über sie hatte. Ob ihre Karriere ihr etwas bedeutete oder nicht, sie konnte überall eine gute Stellung bekommen. Jederzeit. Sie brauchte ihn nicht. Wenn sie sich trennten, würde sie ihn eine Woche lang vermissen, traurig sein insoweit, daß sie nach dem dritten Martini unerwartet losheulen
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