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Das Labyrinth der Ratten

Das Labyrinth der Ratten

Titel: Das Labyrinth der Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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entdeckte, daß er während der Nacht verwandelt worden war in eine gigantische – was? Wanze?
    »Was bin ich?« fragte er Orville. »Vergiß meine vorherigen Fragen, beantworte nur das. Was ist aus mir geworden?« Er quetschte die Kugel erbost.
    Maren, jetzt in einer blauen chinesischen Pyjama-Hose, stand an der Tür ihres Schlafzimmers und beobachtete ihn, während er mit Orville kämpfte.
    »Lars P. erwachte eines Morgens und entdeckte, daß er sich über Nacht verwandelt hatte in eine ...« Sie verstummte, weil das Fernsehgerät in einer Ecke des Raumes pinggggg gemacht hatte. Es schaltete sich von selbst ein. Eine Meldung würde verlesen werden.
    Lars und sie vergaßen Orville und wandten sich dem Bildschirm zu. Er spürte, wie sein Puls schneller schlug. Sondermeldungen brachten fast nur Schlechtes.
    Der Bildschirm zeigte ein Insert mit der Aufschrift ›Wichtige Meldung‹. Die Stimme des Sprechers klang berufsmäßig ruhig: »NASBA, die Weltraumbehörde von Wes-Block in Cheyenne, Wyoming, hat heute mitgeteilt, daß ein neuer Satellit, gestartet vermutlich von Volkschina oder Freiheit-für-alle-Menschen
    Kuba, sich in einer Umlaufbahn befindet, die ...«
    Maren schaltete ab.
    »Feine Sondermeldung.«
    »Der Tag, auf den ich warte«, sagte Lars, »ist der, an dem ein schon kreisender Satellit automatisch seinen eigenen Satelliten startet.«
    »Das tun sie doch schon. Liest du keine Fak-Zeitung? Liest du den ›Scientific American‹ nicht? Weißt du denn überhaupt nichts?« Ihre Verachtung war halb ernst gemeint, halb unernst. »Du bist ein idiot savant, wie die Kretins, die Autokennzeichen oder alle Rufnummern in Los Angeles oder die Postleitzahlen für sämtliche Zustellbereiche in Nordamerika auswendig lernen.« Sie ging ins Schlafzimmer zurück, um das Oberteil ihres Schlafanzugs zu holen.
    Orville, in Lars' Hand vergessen, regte sich und begann zu sprechen.
    Es war unheimlich; Lars blinzelte, als die telepathische Antwort ihn ankrächzte, die Antwort auf eine Frage, die er schon wieder vergessen hatte.
    »Mr. Lars.«
    »Ja«, sagte er gebannt.
    Orville förderte knarrend seine mühselig erarbeiteten Ergebnisse zutage. So stabil als Spielzeug er auch war, der alte Orville gehörte nicht zu den Schnellen. Zu viele Teile wirkten zusammen, als daß er nur geschwätzig gewesen wäre.
    »Mr. Lars, Sie haben eine ontologische Frage gestellt. Die linguistische Struktur der indo-europäischen Sprachen läßt eine faire Analyse nicht zu; würden Sie Ihre Frage umformulieren?«
    Nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte, erklärte er: »Nein, das will ich nicht.«
    Orville schwieg eine Weile, dann erwiderte er: »Mr. Lars, Sie sind ein gegabelter Rettich.«
    Er wußte wahrlich nicht, ob er lachen sollte.
    »Shakespeare«, sagte er zu Maren, die nun, einigermaßen angezogen, zu ihm getreten war und zuhörte. »Er zitiert.«
    »Natürlich. Er stützt sich auf seine riesigen Datenspeicher. Was hast du erwartet? Ein völlig neues Sonett? Er kann nur wiedergeben, was man ihm eingefüttert hat. Er kann nur auswählen, nicht erfinden.« Maren sagte ehrlich verwirrt: »Ich glaube wirklich, Lars, daß du, allen Spaß beiseite, keinen technischen Verstand besitzt und tatsächlich keine intellektuelle...«
    »Sei still«, sagte er. Orville hatte noch mehr zu bieten.
    Orville wimmerte gedehnt, wie eine verlangsamte Schallplatte: »Sie haben auch gefragt: ›Was ist aus mir geworden?‹ Sie sind ein Ausgestoßener geworden. Ein Wanderer. Heimatlos. Um Wagner abzuwandeln ...«
    »Richard Wagner?« fragte Lars. »Den Komponisten?«
    »Und Dramatiker und Dichter«, erinnerte ihn Orville. »Im ›Siegfried‹, abgewandelt, um Ihre Lage darzustellen. ›Ich hab' nicht Bruder noch Schwester, meine Mutter ...‹« – Orville kam zum Schluß – »›kenn' ich nicht. Mein Vater ...‹«
    Dann empfing, integrierte und akzeptierte die Anlage Marens Bemerkung; Orville schaltete um. »Der Name ›Mr. Lars‹ hat mich irregeführt; ich dachte, er sei nordisch. Entschuldigen Sie, Mr. Lars. Ich wollte sagen, Sie sind, wie Parsifal, ›waffenlos ...‹ in zweifachem Sinne, bildlich und buchstäblich. Sie erzeugen in Wirklichkeit keine Waffen, wie Ihre Firma nach außen hin vorgibt. Und Sie sind waffenlos in einer anderen, wichtigeren Bedeutung. Sie sind wehrlos. Wie der junge Siegfried, bevor er den Drachen tötet, sein Blut trinkt und den Gesang des Vogels versteht, oder wie Parsifal, bevor er von dem Blumenmädchen seinen Namen

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