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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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mach weiter.«
    Ich trank einen Schluck aus dem Becher und ging kurz hinaus, um frischere Luft zu atmen; die Schänke war übervoll von Essensgerüchen, den Schwaden des Kochfeuers, Wein, Bier und den Ausdünstungen der Menschen. Vor der Tür standen in einem lockeren Halbkreis drei Männer etwa meines Alters oder ein wenig jünger. Sie hatten offenbar der Musik gelauscht und nickten mir zu. Ein paar Schritte entfernt, an der Wand des Hauses gegenüber, saß ein Mann auf dem Boden; ein anderer klopfte ihm eben auf die Schulter und ging weg, ohne aufzublicken. Er hinkte.
    »Gute Musik«, sagte einer der drei im Halbkreis. »Woher kommst du?«
    »Venedig, aber eigentlich aus Deutschland. Und ihr?«
    »Von hier. Aber außerhalb.«
    Der zweite Mann schnitt eine Grimasse. »Wer kann sich die Stadt schon leisten?«
    »Ich nicht«, sagte ich. »Vielleicht finde ich nachher ein paar Münzen in meinem Hut, aber das wird nicht für ein weiches Bett genügen. Wo könnte ich so etwas finden?«
    »Darf es auch härter sein?«
    »Solang es weicher ist als das Pflaster hier.«
    Der dritte deutete zum Ende der Gasse; wenn ich in diesem geradlinigen Labyrinth nicht völlig die Orientierung verloren hatte, mußte in der Richtung das Pile-Tor liegen. Das Tor und die Vorstadt außerhalb der Mauern.
    »In ungefähr einer Stunde«, sagte er, »gibt es gute Musik in Valerios Schänke. Er ist Italiener, aber trotzdem brauchbar.« Die anderen lachten. »Wenn du hier fertig bist, komm dorthin; alles weitere wird sich schon finden.«
    »Ich danke euch«, sagte ich. »Wie heißt ihr? Falls ich nach euch fragen muß.«
    »Jadranko, Daniel und Antun. Wie lange wirst du hier noch spielen?«
    »Ah, mindestens noch eine halbe Stunde.«
    Antun hob die Schultern. »So lange mag ich nicht hier draußen stehen. Und drinnen? Kann ich mir nicht leisten.«
    »Dann sehen wir uns später; draußen.«
    Der vierte Zuhörer saß immer noch an die Hauswand gegenüber gelehnt; er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen und schien zu grübeln oder zu dösen.
    Ich ging zurück in die Schänke und begann wieder zu spielen. Als ich kaum das zweite Stück beendet hatte, gab es draußen auf der Gasse plötzlich Lärm und Geschrei. Ich achtete nicht weiter darauf und spielte einen kleinen Rundtanz, danach ein langsameres Stück, bei dem ich immer an eine dicke Fürstin dachte, die sich umständlich auszieht, ehe sie zu Bett geht. Gegen Ende des Stücks bemerkte ich, daß die Aufmerksamkeit der Gäste nachließ, beziehungsweise sich etwas anderem zuwandte, etwas, das draußen geschah.
    Ein Mann in prächtiger Uniform stand wie aus der Luft gesickert im Eingang und stampfte den Schaft seiner Lanze auf den Boden. »Um Vergebung, die edlen Esser«, sagte er sehr laut. »Hat einer von Euch etwas gesehen, was zur Erhellung der Rätsel beitragen könnte?«
    »Was ist los?« Der Wirt kam zum Eingang und versuchte wohl, an dem Uniformierten vorbeizuschauen.
    »Ein Mann ist gestorben.«
    »Gestorben?« sagte ein gewichtiger Gast am zweiten Tisch. »Wenn’s die Pest ist, sollten wir in Ruhe zu Ende essen, solange es uns noch schmeckt. Und wenn er einfach so gestorben ist, hätte er vielleicht mehr essen sollen.«
    Der Uniformierte – es handelte sich, wie mir der Wirt zuflüsterte, um den obersten Nachtwächter – trat beiseite, als einige der Gäste zur Tür kamen, um hinauszuschauen. Ich legte den Bogen auf den Schemel, klemmte mir die Fiedel unter den Arm und trat ebenfalls hinaus auf die Gasse.
    Der Mann saß immer noch an der Hauswand gegenüber; neben ihm standen oder knieten sechs andere, zwei von ihnen Nachtwächter, wenngleich nicht so prächtig gewandet wie ihr Anführer, die anderen wahrscheinlich gewöhnliche Bewohner des Viertels, die auf dem Heimweg oder einem kleinen Nachtspaziergang gewesen waren und den Sitzenden arg reglos gefunden hatten.
    »Du warst doch draußen«, sagte der Wirt. »Hast du etwas bemerkt?«
    »Da hat er schon so dagesessen«, sagte ich. »Ich habe mir nichts dabei gedacht.«
    »Dann werden wir dich mitnehmen«, sagte der Nachtwächter.
    »Warum? Weil ich mir nichts gedacht habe?«
    »Weil du ihn gesehen hast. Und vielleicht fällt dir ja noch mehr ein, wenn wir dich gründlicher befragen.«
    Der Wirt bot an, meine Sachen bis zu meiner Rückkehr zu hüten, aber davon hielten die Nachtwächter nichts. »Ich werde nach dir fragen«, sagte der Wirt schließlich; er klang ein wenig besorgt. »Und falls es hier Münzen für dich gibt, hebe ich sie

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