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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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muß ich die Tür öffnen.«
    »Warum bist du dann hergekommen?« fragte Stas.
    »Hast du einen Cognac?« Rikki untersuchte seine Hand, die bereits anzuschwellen begann.
    »Nein, nur Wodka«, sagte Stas.
    »Der tut’s auch.« Er ließ sich mit einem vollen Glas in einen Sessel sinken. »Ich habe einen Plan: Geben wir ihr einen anderen Wagen.«
    »Du hast sie am Flughafen abgeholt«, sagte Stas. »Sie kennt deinen Wagen. Sie liebt ihn.«
    »Ich sage einfach, daß er dir gehört - daß ich ihn mir von dir geliehen habe, um Eindruck zu schinden.«
    »Ah. Und welchen Wagen soll sie kriegen?« fragte Stas.
    »Deinen.« Rikki schlug kurz die Augen nieder. »Stas, wir sind doch Freunde. Dein Mercedes ist zehn Jahre alt, gebraucht gekauft - eine Schrottkarre, um offen zu sein. Meine Tochter ist eine Frau von Geschmack. Sie wird nur kurz einen Blick darauf werfen und sich weigern, ihn auch nur anzufassen. Ich dachte, wir könnten schnell die Schlüssel tauschen.«
    Stas schenkte zwei weitere Wodkas ein und sagte zu Arkadi: »Sie würden es vielleicht heute nicht mehr glauben, aber Rikki ist einmal durchs Schwarze Meer geschwommen. Mit nichts als einem Neoprenanzug und einem Kompaß. Er ist durch Netze, zwischen Minen und unter Patrouillenbooten hindurchgeschwommen. Es war eine aufsehenerregende Flucht. Und jetzt sitzt er hier und versteckt sich vor seiner Tochter.«
    »Du tauschst also nicht mit mir?« fragte Rikki.
    »Das Leben hat dich eingeholt, und deine Tochter läßt dich jetzt für alles büßen, was du jahrelang versäumt hast«, sagte Stas. »Der Wagen ist nur der Anfang.«
    Der Wodka schien Rikki in der Kehle steckenzubleiben. Er stand würdevoll auf, ging hinaus auf den Balkon und erbrach sich über das Geländer. »Zum Teufel mit ihr! Und mit dir!« sagte er zu Stas. Er stellte das Glas auf den Balkontisch und zog sich am Regenrohr hoch. Für einen Mann seiner Größe war er erstaunlich beweglich. Arkadi sah, wie sich seine Beine zum oberen Balkon hochhangelten. Geranienblüten regneten herab.
     
    Arkadi erwachte auf dem Sofa. Es war zwei Uhr morgens. Es gibt kein Loch, das tiefer ist als zwei Uhr morgens - die Stunde, in der Furcht die Welt beherrscht. Stas war zweimal der Frage ausgewichen: Wo wohnte Max?
    Russen mochten keine Hotels, Russen stiegen bei Freunden ab. Und andere Freunde wußten, wo. Die Vorstellung, daß Max jetzt bei Irina lag, ließ Arkadi in die bläuliche Dunkelheit des Zimmers starren. Er konnte fast sehen, wie sie dalagen, als schmiegten sie sich dort, auf der anderen Seite des Wohnzimmertisches, aneinander. Er sah Max’ Arm über ihrer Schulter, hörte, wie er den Duft ihres Parfüms einatmete.
    Arkadi zündete ein Streichholz an. Sessel, Tisch und Bücherborde krochen aus der Dunkelheit auf die Flamme zu. Er schlug die Decke zurück, auf dem Tisch hatte er ein Telefon gesehen. Er tastete die Tischplatte ab, bis er ein kleines Adreßbuch fand. Ungeschickt zündete er mit einer Hand ein zweites Streichholz an, öffnete das Buch und fand »Irina Asanowa« und ihre Nummer. Die Flamme war bereits bis zu seinen Fingern niedergebrannt. Er blies sie aus und nahm den Hörer ab. Was sollte er sagen? Daß es ihm leid tue, sie aufzuwecken, aber daß er mit ihr reden müsse? Sie hatte längst klargemacht, daß sie ihm nichts zu sagen hatte. Vor allem jetzt nicht, wo Max neben ihr lag. Arkadi könnte sie warnen. Wie unpassend das klingen würde in Max’ Gegenwart.
    Er könnte nach Max fragen, wenn sie sich meldete. Dann würde sie wissen, daß er über den Stand der Dinge Bescheid wußte. Oder wenn sie fragte, wer am Apparat sei, könnte er sagen »Boris« und dann abwarten, wie sie darauf reagierte.
    Arkadi wählte ihre Nummer, aber als er den Hörer ans Ohr heben wollte, wurde sein Handgelenk von einer festen Klammer umschlossen. Feuchte Zähne hielten Hand und Hörer fest. Er bemühte sich, den Hörer zu heben, und die Zähne senkten sich tiefer in seine Haut. Er langte mit der anderen Hand nach dem Hörer. Ein Knurren ließ seinen Atem vibrieren.
    Am anderen Ende der Leitung hörte er die typischen Signaltöne eines deutschen Telefons. »Hallo?« sagte Irina.
    Arkadi versuchte, seinen Arm loszuwinden, aber die Kiefer schlossen sich fester.
    »Wer ist da?« fragte Irina.
    Das ganze Gewicht des Hundes hing an seinem Arm.
    Dann ein Klicken. Irina hatte eingehängt.
    Als Arkadi endlich nachgab, lösten sich die Zähne. Der Hörer lag wieder auf der Gabel, und sein Arm war frei. Er spürte, wie der

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