Das Labyrinth
Benz. Sobald ich wußte, daß Benz nur eine Scheinexistenz führte, waren Sie der wahrscheinlichste Kandidat. Es kam mir seltsam vor, daß die Sprechstundenhilfe in der Königinstraße mich so einfach ins Haus ließ, als ich so tat, als wäre ich Benz. Ich klinge nicht sehr deutsch. Dann haben Sie den Fehler gemacht, ein Restaurantfenster mit aufzunehmen, als Sie Rita filmten. Ihr Spiegelbild war nur undeutlich zu sehen, da Sie die Kamera hielten, aber auf einem großen Bildschirm sind die Umrisse eines alten Fußballhelden immer noch klar zu erkennen.«
»Das Videoband war Max’ Idee.«
»Dann sollte ich ihm dafür danken.«
Borja schien eine Art Stadtrundfahrt zu machen. Sie kamen an einer Tankstelle mit polnischen Schildern vorbei. Borja sagte: »Was die Polen machen, ist ganz einfach. Sie stehlen einen Wagen, einen hübschen Wagen, schneiden den Motor heraus und ersetzen ihn durch einen alten, vielleicht sogar einen Schrottmotor, der kaum noch läuft, und fahren an die Grenze. Die polnischen Zöllner prüfen die Nummer auf dem Motorblock und lassen den Wagen durch. Es ist wie ein Witz: Wie viele Polen sind nötig, um einen Wagen zu klauen? Wenn man Geld hat, schmiert man einfach den Zöllner und fährt durch.«
»Ein Gemälde über die Grenze zu schaffen - ist das schwieriger?« fragte Arkadi.
»Wollen Sie die Wahrheit wissen? Ich mag das Bild. Es ist ein Kunstwerk. Aber wir brauchen es nicht. Es gibt da Meinungsunterschiede. Wir kommen gut zurecht mit den Spielautomaten und den Mädchen …«
»Ist das das Personal, das die TransKom ins Ausland reisen läßt? Prostituierte aus Moskau, die in München auf den Strich gehen?«
»Das ist alles völlig legal. Ein neuer Markt. Die Welt öffnet sich, Renko.«
»Warum dann der Schmuggel mit dem Bild?«
»Das ist Demokratie. Ich wurde überstimmt. Max will das Bild haben, und Rita liebt die Vorstellung, Frau Margarita Benz zu sein, Galeristin, statt der Puffmutter, die sie einmal war. Als die Sache mit dem Trabi fehlschlug, wollte ich Sie hier in Berlin erledigen. Wieder wurde ich überstimmt. Ich habe nichts gegen Sie, aber ich will Moskau endlich loswerden. Als ich hörte, daß Sie hier sind, ging ich an die Decke. Max sagte, Sie würden sich ruhig verhalten, Sie seien persönlich involviert und würden keine Schwierigkeiten machen. Er sagte, Sie gehörten zum Team. Was ich ja gerne glauben würde, aber dann folge ich Ihnen und sehe, wie sie mit einem deutschen Polizisten in einen Wagen steigen und einen Ausflug nach Potsdam machen. Als würde ich diese Miliztypen nicht überall in der Welt erkennen! Sie spielen ein doppeltes Spiel mit uns, Renko, und das ist ein Fehler. Das hier ist eine neue Welt für uns beide, und wir sollten nützen, was sie uns bietet, statt uns gegenseitig in die Quere zu kommen. Wir können uns nicht mehr wie die Neandertaler aufführen. Ich bin froh, wenn ich von Deutschen, Amerikanern oder Japanern lernen kann. Das Problem sind die Tschetschenen. Sie ruinieren Berlin, wie sie Moskau ruiniert haben, und versauen uns unsere Geschäfte. Es ist eine Schande, daß sie ihre Leute herbringen. Laufen mit Maschinenpistolen in der Gegend herum, als wären sie bei sich zu Hause, dringen in Restaurants ein, erpressen Ladenbesitzer, kidnappen Kinder - schreckliche Geschichten. Bisher weiß die deutsche Polizei nicht, wie sie mit ihnen fertig werden soll, da sie so was noch nie gesehen hat, kann auch keine V-Männer einsetzen, da niemand von denen für einen Tschetschenen durchgehen würde. Nicht aus der Nähe. Aber es ist so verflucht kurzsichtig von den Tschetschenen, die so viel Geld haben, daß sie es hier auch legal anlegen und ein Vermögen machen könnten. Ich könnte ihnen zeigen, wie das zu bewerkstelligen ist. Rudi war ein Wirtschaftsdenker, Max ist ein Visionär, aber ich bin Geschäftsmann, und Geschäfte beruhen auf Vertrauen. In meinem Golfclub vertraue ich darauf, daß meine Lieferanten mir gute Spirituosen und kein Gift verkaufen. Meine Lieferanten dagegen vertrauen drauf, daß sie mit gutem Geld und nicht mit Rubel bezahlt werden. Vertrauen ist das, was die Welt zusammenhält. Wenn Mahmud nur auf mich hören würde, könnten wir alle in Frieden leben.«
»Ist das alles, was Sie wollen?«
»Das ist alles, was ich will.«
Borja schien plötzlich ein Ziel zu haben, unter einem lavendelfarbenen Himmel fuhren sie den Ku’damm hinunter, vorbei an den Neon-Signets von AEG, Siemens, Nike und Cinzano. Die Gedächtniskirche wirkte
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