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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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daß sie direkt in die Sonne blickte. Dann ließ sie sich zurücksinken, die Zigarette im Mund, eine träge ins Licht blinzelnde Kleopatra.
    »Sagen Sie selbst: Wie kommt ein Ossi an so viel Geld, daß er achtzehn neue Wagen kaufen und in München leben kann? Für jemanden, der keine Vergangenheit hat, wurde Benz mit erstaunlich guten Verbindungen geboren.«
    »Aber warum sollte er sich an Ihren Großvater heranmachen?« fragte Arkadi. »Was konnte er von ihm erwarten - außer alten Kriegsgeschichten?«
    »Die Stasi-Offiziere waren nicht nur Spione, sie waren auch Diebe. Sie spürten Leute mit Vermögen auf, die sie, wenn möglich und nötig, ins Gefängnis wandern ließen: Ihre Ersparnisse wurden dann als >Wiedergutmachung< konfisziert, und Bilder und Münzsammlungen verschwanden im Haus eines Stasi-Mannes. Vielleicht hat Benz etwas an sich genommen, von dem er nicht genau wußte, was es war. Es ist immer noch soviel in diesem Land versteckt. Soviel.«
    Schillers Erklärungen waren eine typisch deutsche, logische konstruierte Antwort auf die Fragen, die die Identität von Boris Benz aufgeworfen hatte. Es war nicht Arkadis Antwort, aber er zollte ihr trotzdem Respekt. Peter Schiller fragte unvermittelt: »Wer ist Max Albow?«
    »Er hat mir einen Platz zur Verfügung gestellt, wo ich in Berlin unterkommen kann.« Arkadi, von der Frage überrascht, versuchte, in die Offensive zu gehen. »Deswegen habe ich Sie angerufen. Sie haben meinen Paß, und ohne ihn kann ich kein Hotelzimmer bekommen.   Außerdem   möchte   ich   mein Visum verlängern lassen.«
    Schiller lehnte sich an einen Pfosten, nachdem er ihn auf seine Standfestigkeit untersucht hatte. »Ihr Paß ist das einzige, womit ich Sie an der Leine halten kann. Wenn ich ihn Ihnen gäbe, würde ich Sie nie wiedersehen.«
    »Ist es so schlimm mit mir?«
    Schiller lachte, dann ließ er seinen Blick über die Bäume schweifen. »Ich könnte mir durchaus vorstellen, hier aufgewachsen zu sein. Renko, ich mache mir Sorgen um Sie. Ich bin Ihnen gestern bis zu dieser Wohnung in der Friedrichstraße gefolgt. Albow traf ein, bevor ich mich auf den Weg nach Potsdam machte, und ich konnte ihn anhand seines Nummernschildes identifzieren. Nach allem, was ich über ihn in Erfahrung gebracht habe, ist er ein aalglatter Typ. Hat sich zweimal abgesetzt. Hat ohne Zweifel Verbindungen zum KGB. Ist angeblich ein Geschäftsmann. Was hat euch beide bloß zusammengebracht?«
    »Ich habe ihn in München getroffen. Er hat mir seine Hilfe angeboten.«
    »Wer ist die Frau? Sie saß mit ihm im Wagen.«
    »Ich weiß es nicht.«
    Schiller schüttelte den Kopf. »Die richtige Antwort wäre gewesen: >Welche Frau?< Ich sehe, daß ich nicht hätte wegfahren dürfen. Ich hätte mein Lager in der Friedrichstraße aufschlagen sollen, um die Wohnung im Auge zu behalten. Renko, sind Sie dort sicher?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Schiller schwieg. Er atmete tief ein. »Die Berliner Luft«, sagte er dann. »Sie soll einem guttun.«
    Arkadi zündete sich eine Zigarette an. Schiller folgte seinem Beispiel. Vom Balkon unten drang ein kräftiges Schnarchen zu ihnen hinauf, vermischt mit dem aus dem Garten kommenden Summen der Mücken. »Der Arbeiterstaat«, sagte Peter Schiller.
    »Was ist mit dem Haus?« fragte Arkadi. »Wollen Sie Grundbesitzer werden, wollen Sie hier einziehen?«
    Schiller lehnte sich gegen die Brüstung. »Ich würde es gern mieten«, sagte er.
     
    Der Tag verblaßte bereits, als Peter Schiller Arkadi in der Stadt wieder absetzte. Über der Stadt lag eine plötzliche Stille, ein Atemholen zwischen Nachmittag und Abend. Minute um Minute wurde ihm klarer, was er tun würde, um bei Irina zu bleiben. Die Antwort war: alles.
    Sie würde heute mit amerikanischen Kunstsammlern zu Abend essen. Arkadi kaufte eine Vase und Blumen und ging in Richtung Brandenburger Tor, dessen Säulen und Giebeldreieck hoch wie ein fünfstöckiges Gebäude vor ihm aufragten. Er erkannte, welche städtebaulichen Möglichkeiten sich hier boten - ein Boulevard, der durch die westliche Hälfte der Stadt lief und sich hinter dem Tor zwischen den alten preußischen Prachtbauten fortsetzte. Er hatte den Platz jetzt fast für sich allein. Als die Mauer noch stand, waren diese hundert Meter Asphalt der am aufmerksamsten beobachtete Fleck der Erde, auf der einen Seite durch die Wachttürme, auf der anderen Seite durch Touristen, die auf eine Plattform kletterten, um hinüberzusehen.
    Am Fuß der Säulen sah er einen

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