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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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beachtete sie nicht. Er saß neben einem an der Wand angebrachten Thermometer und wischte sich den Schweiß wie Seife vom Körper. Alle fünf Sekunden prüfte er die Temperatur. Das Schwitzen schien ihn voll in Anspruch zu nehmen. Die Metallperlen von Arkadis Kette waren bereits aufgeheizt. Die Sauna war gut isoliert. Er hörte keinen Laut von außen.
    »Wo ist Mahmud?«
    »Irgendwo hier«, sagte Borja.
    »Wo ist Ali?« Wenn Mahmud da war, konnte sein Leibwächter nicht weit sein.
    Borja legte einen Finger auf den Mund. Er hätte eine Skulptur sein können, wenn nicht der Schweiß gewesen wäre, der auf seiner Stirn, seiner Oberlippe und der Höhlung auszutreten begann, wo sein Hals in den Muskelpanzer überging, der seine Brust bildete. »Die trockene Hitze hier ist nicht das Richtige. Versuchen wir’s mit dem Russischen Bad.«
    Er kletterte nach unten, und Arkadi folgte ihm. Draußen beobachteten die beiden Tschetschenen, wie sich die Schwimmerin am Beckenrand abtrocknete. Sie war nicht ausgeprochen jung, aber sie hatte einen festen, athletischen Körper, auf den sie stolz sein konnte, und nahm sich viel Zeit mit dem Abtrocknen. Sie zog sich die Badekappe vom Kopf und schüttelte ihr dichtes, blondes Haar aus. Sie fuhr mit den Fingern hindurch, dann schob sie es zur Seite. Ihr Gesicht war breit, slawisch, nicht im mindesten deutsch. Ihre Augen, die zugleich kühn und zurückhaltend waren, musterten sowohl die Tschetschenen als auch Arkadi, ehe sie sich gleichgültig abwandte. Es war Rita Benz.
    Borja schob sich durch eine Tür mit der Aufschrift »Russisches Dampfbad«, und Arkadi folgte ihm. Eine dichte, duftende Wolke schlug ihm entgegen. Die Bank auf seiner Seite war leer. Er setzte sich, streckte die Hand aus und berührte eine Kante aus Kalkstein. Ein Wasserbecken. Das einzige Licht sickerte wie glühender Rauch aus vier Glasziegeln am Fuß des Beckens. Er konnte Borja, der auf der anderen Seite Platz genommen haben mußte, nicht mehr sehen.
    Eine Sauna ist ein Heißluftofen, der den Schweiß langsam aus dem Körper treibt, ein russisches Bad ist so von feuchtem Dampf gesättigt, daß die Transpiration unverzüglich einsetzt. Aromatisches Zypressenöl trug dazu bei, die Poren zu öffnen. Schweiß strömte von Arkadis Stirn, lief ihm über die Brust, sammelte sich zwischen seinen Zehen und füllte jede Falte seines Körpers. Er dachte an Rita und das erste Mal, als er sie in Rudis Wagen gesehen hatte. Die Art, wie sie ihn eben angesehen hatte, war die gleiche, mit der sie damals Rudi angesehen hatte.
    »Ali?« Mahmuds Stimme kam aus der Ecke.
    Arkadi bewegte sich bereits wieder auf die Tür zu, als Borja ihn niederschlug. Sein Kopf prallte gegen die Wand. Arkadi rutschte an ihr hinunter zu Boden.
    Er verlor nicht wirklich das Bewußtsein, aber für kurze Zeit wurde es dunkel um ihn. Dann öffnete er die Augen, kroch, halb schwimmend, über den Boden und richtete sich mühsam am Rand der Bank wieder auf. Abgesehen von seinem fehlenden Gleichgewichtsgefühl und dem Druck in seinen Ohren schien er unversehrt. Wie jeder, der eine Gehirnerschütterung erlitten hat, fragte er sich, was geschehen war. Vor einem Augenblick noch hatte er mit Borja und Mahmud in einem Russischen Bad gesessen. Jetzt schien er allein zu ein.
    Der Dampf hatte sich verfärbt. Er war rosarot. Für Arkadi bedeutete das, daß sein Kopf verletzt war und ihm Blut über die Augen lief. Er ertastete eine Beule auf der Kopfhaut, aber keine offene Wunde. Er wischte sich das Gesicht mit seinem Frotteetuch ab. Der Raum war immer noch von rosarotem Dampf erfüllt.
    Arkadi blickte nach unten. Die Glasziegel über dem Fußboden waren rot. Als er um den Rand des Wasserbeckens kroch, sah er unter der Bank auf der anderen Seite einen roten Fuß. Der Fuß führte zu einem kleinen, ausgetrockneten Körper, den er zu sich herunterzog.
    Mahmud schien ein Frotteetuch zu essen. Sein Hals und seine Brust waren von so vielen blutenden Einstichen übersät, daß Arkadi zunächst dachte, er sei von einer Maschinenpistole durchsiebt worden, aber in seinem faltigen Bauch steckte der Griff eines Messers. Arkadi tastete nach seinem Handgelenk. Die Kette und der Schlüssel waren fort.
    Es klopfte. Als Arkadi nicht darauf reagierte, öffnete sich die Tür, und Ali sah herein. Dampf strömte nach draußen. Ali war dick und stark, sein Haar hing ihm über die Augen.
    »Großvater, glaubst du nicht, daß du lange genug da drin gewesen bist?«
    Arkadi sagte nichts. Er spürte,

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