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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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eingenommen hat.«
    »Du bringst sie um, nicht mich?«
    »Ich bin eifersüchtig, nicht verrückt.«
     
    Aus der Wohnung hörte sich der Straßenverkehr wie eine Brandung an. Die Reflexion der Scheinwerfer wanderte langsam über die Zimmerdecke.
    Arkadi sah, wie ein Wagen einen Block weiter die Friedrichstraße hinauf parkte. Er konnte die Marke nicht erkennen, doch er sah, daß niemand ausstieg. Ein zweiter Wagen parkte in entgegengesetzter Richtung, ebenfalls einen Häuserblock weiter.
    Während die Stunden verstrichen, erzählte er ihr von Rudi und Jaak, von Max und Rodionow, von Borja und Rita. Für ihn war es eine interessante Erzählung. Er erinnerte sich an seinen Spaziergang mit Feldman, dem Kunstprofessor, der ihm das revolutionäre Moskau beschrieben hatte. »Die Straßen werden unsere Palette sein!« Wir selbst sind Paletten, dachte Arkadi. Möglichkeiten. In Borja Gubenko steckte ein Boris Benz, in einer Intourist-Hure namens Rita die Berliner Galeristin Margarita Benz.
    »Die Frage ist«, sagte Irina, »wer können wir sein, wenn wir tatsächlich lebend hier herauskommen? Russen? Deutsche? Amerikaner?«
    »Was immer du willst. Ich wird wie Wachs in deinen Händen sein.«
    »Wachs ist nicht gerade das, an was ich bei dir denke.«
    »Ich kann ein Amerikaner sein. Ich kann pfeifen und Kaugummi kauen.«
    »Du wolltest einmal wie die Indianer leben.«
    »Dazu ist es wohl zu spät, aber ich könnte Cowboy werden?«
    »Mit Lasso und Pferd?«
    »Ich kann Vieh zusammentreiben. Oder hierbleiben. Über die Autobahn fahren, in den Alpen klettern.«
    »Ein Deutscher? Das ist eher möglich.«
    »Eher möglich?«
    »Um Amerikaner zu sein, mußt du das Rauchen aufgeben.«
    »Kein Problem«, sagte Arkadi, obwohl er sich gerade eine neue Zigarette anzündete. Er betrachtete den Rauch.
    Er drückte die Zigarette auf dem Fußboden aus, legte seinen Finger an ihre Lippen und bedeutete ihr, sich vom Fenster zu entfernen. Er hatte einen Moment gebraucht, um zu begreifen, daß die Unruhe, in die der Rauch geriet, von einem Luftzug herrührte, der unter der Tür durchgekommen sein mußte. Treppenhäuser erzeugen eine Art Vakuum. Freilich hatte er die leichte Bewegung nur bemerkt, weil er auf dem Fußboden lag.
    Er legte das Ohr auf den Boden. Sieh doch, ich könnte wie ein Indianer leben. Er hörte das leise Knarren von Schuhen in der Diele.
    Irina hielt sich an der Wand. Sie versuchte nicht, sich kleiner zu machen.
    Hinter seiner Tasche beobachtete Arkadi das Licht an der unteren Türkante, einen weißen, allmählich blasser werdenden Balken.
    Er drückte sich flach auf den Boden. Noch etwas, und er könnte unter der Tür hindurchgleiten. Er sah zu Irina hinüber. Ihre Augen hielten ihn wie Hände, die einen Mann davor bewahren, in den Abgrund zu stürzen.
    Die Tür öffnete sich. Licht strömte herein, und eine bekannte Gestalt trat über die Schwelle.
    »Das wird Sie noch mal Kopf und Kragen kosten«, sagte Arkadi.
    Peter Schiller stieß mit dem Fuß die Tasche beiseite. Er schnaubte durch die Nase, als er Arkadi sah. »Ist das hier ein Schießstand?«
    »Wir haben jemand anders erwartet.«
    »Da bin ich sicher.« Peter sah Irina an, die seinen Blick erwiderte. »Renko, hier laufen überall Russen herum. Wir haben zwei Mafiosi im Europa Center, die von jemandem erstochen wurden, der genau wie Sie aussah. Was ist mit Ihrem Rücken?«
    »Ich bin ausgerutscht.« Arkadi stand auf und schloß die Tür.
    »Arkadi war bei mir«, sagte Irina. »Seit wann?« fragte Schiller. »Den ganzen Tag.«
    »Eine Lüge. Das ist ein Bandenkrieg, oder? Und Benz gehört dazu. Je mehr ich über die Sowjetunion in Erfahrung bringe, um so mehr verstärkt sich mein Eindruck, daß dieser Krieg noch lange nicht vorbei ist.«
    »Damit mögen Sie wohl recht haben«, gab Arkadi zu.
    »Eben erst haben Sie mir erzählt, daß Sie diese Frau überhaupt nicht kennen. Jetzt ist sie Ihr Alibi.« Peter Schiller ging im Raum auf und ab. Er hat die Gestalt von Borja, aber mehr auf Wagnerische Art, dachte Arkadi. Ein Lohengrin, der in die falsche Oper geraten ist. »Wo ist Benz?« fragte Arkadi.
    »Abgereist. Er hat vor einer Stunde die Maschine nach Moskau genommen.«
    Keine schlechte Zeit, um Berlin zu verlassen. Vielleicht will Borja seine Identität als Benz ja ganz aufgeben, dachte Arkadi. Vielleicht hören wir nie wieder etwas von Boris Benz. Mahmud auszuschalten war wahrscheinlich weit wichtiger für ihn als die Geschäfte, die er mit >Fantasy Tours< macht.

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