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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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doch nicht verpassen.«
    »Ob Putsch oder nicht, Sie werden wegen Landesverrats gesucht. Irina ebenfalls. Ihr könntet verhaftet werden.«
    »Sie gehen doch auch zurück«, sagte Stas.
    »Ich bin Russe.«
    Obwohl Irinas Stimme leise war, klang sie entschieden. »Wir wollen zurück.«
    Deutschland breitete sich unter ihnen aus, nicht mit den geraden Straßen und den wie auf einem Flickenteppich verteilten Bauernhöfen des Westens, sondern mit engeren, gewundeneren Feldwegen und monotoneren Ackerflächen, je weiter sie nach Osten flogen.
     
    Irina legte den Kopf an Arkadis Schulter. Das Gefühl, ihr Haar auf seiner Wange zu spüren, schien so normal, daß es ihn überwältigte. Als reiste er durch eine zweite Existenz, die er bislang verpaßt hatte. Er verspürte den Wunsch, nie irgendwo anzukommen.
    Stas redete nervös, wie ein leises Radio. »Bei Revolutionen werden immer die Leute an der Spitze umgebracht, und für gewöhnlich übertreiben es die Russen dabei. Die Bolschewiken haben die herrschende Klasse eliminiert, und dann hat Stalin die ursprünglichen Bolschewiken eliminiert. Diesmal sieht die Sache so aus, daß fast der einzige Unterschied zwischen Gorbis Regierung und den Putschisten darin besteht, daß sich Gorbi nicht daran beteiligt. Habt ihr die Erklärung des Notstandskomitees gehört? Sie ergreifen die Macht, um das Volk unter anderem vor Sex, Gewalt und um sich greifender Unmoral zu schützen. Inzwischen wird Moskau weiter von Truppen besetzt, und die Menschen errichten Barrikaden, um das Weiße Haus zu schützen.«
    Das Weiße Haus war das russische Parlamentsgebäude am Fluß im alten Presnja-Viertel, das einst mit dem Ehrennamen »Rot« ausgezeichnet worden war, weil man dort Barrikaden gegen den Zar errichtet hatte.
    »Das wird die Panzer aber nicht aufhalten«, sagte Stas.
    »Was in Wilna und Tiflis passiert ist, das waren nur Generalproben. Sie werden den Anbruch der Nacht abwarten, dann werden sie die Miliz mit Tränengas und Wasserwerfern vorschicken, um sämtliche Ansammlungen aufzulösen, und schließlich werden KGB-Truppen das Gebäude stürmen. Die Moskauer Kommandantur hat dreihunderttausend Haftbefehle gedruckt, aber das Komitee will keinen Gebrauch von ihnen machen. Sie rechnen damit, daß sich die Leute beim Anblick der Panzer von allein zurückziehen.«
    »Was ist, wenn Pawlow die Glocke läutet, und die Hunde hören nicht darauf?« fragte Irina. »Das würde den Lauf der Geschichte ändern.«
    »Und ich sage euch, was sonst noch eigenartig ist«, sagte Stas. »Ich habe noch nie erlebt, daß so viele Journalisten so lange nüchtern bleiben.«
     
    Polen breitete sich dunkel wie ein Meeresboden unter ihnen aus.
    Die Getränkewagen der Stewardessen blockierten den Gang. Zigarettenrauch und Theorien füllten den Raum: Die Armee hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, um die Welt vor ein faxt accompli zu stellen. Die Armee würde die Dunkelheit abwarten, um zuzuschlagen, wenn weniger Fotografen da waren. Das Komitee hatte die Generäle für sich gewonnen. Die Demokraten hatten die AfghanistanVeteranen für sich gewonnen. Niemand wußte, auf welche Seite sich die jungen, gerade aus Deutschland zurückgekehrten Offiziere stellen würden.
    »Übrigens«, sagte Stas, »im Namen des Komitees hat Oberstaatsanwalt Rodionow alle möglichen Geschäftsleute verhaften lassen und ihre Waren konfisziert. Nicht alle Geschäftsleute - nur die, die gegen das Komitee sind.«
    Als Arkadi die Augen schloß, fragte er sich, in welches Moskau er zurückkehren würde. Es war ein Tag, der viele Möglichkeiten bot.
    »Es ist so lange her«, sagte Stas. »Ich habe einen Bruder, den ich seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen habe. Wir rufen uns einmal im Jahr an, an Neujahr. Er hat sich heute morgen gemeldet und mir gesagt, daß er zum Parlamentsgebäude gehen würde, um es zu verteidigen. Ein kleiner, dicker Mann mit Kindern. Wie will er einen Panzer aufhalten?«
    »Glauben Sie, daß Sie ihn wiedererkennen?« fragte Arkadi.
    »Er hat mir geraten, nicht zu kommen. Könnt ihr euch das vorstellen?« Stas blickte eine lange Zeit aus dem Fenster. Feuchtigkeit hatte sich in kleinen Wassertröpfchen zwischen den Scheiben niedergeschlagen. »Er hat gesagt, er würde eine rote Skimütze tragen.«
    »Was macht Rikki?«
    »Rikki ist zurück nach Georgien gegangen. Er hat seine Mutter, seine Tochter, den Fernseher und den Videorecorder in seinen BMW verfrachtet und sich mit den beiden auf den Weg gemacht. Ich wußte es. Er

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