Das Labyrinth
funktionierte ausgezeichnet, bis Sie auftauchten.«
Arkadi blickte über die leeren Tische, ohne seine Hand von der Tasche zu nehmen. »Sie haben hier ein Video aufgenommen und es an Rudi geschickt. Warum?«
»Zur Identifizierung. Rudi und ich hatten uns nie gesehen. Ich wollte ihm meinen Namen nicht verraten.«
»Er war kein schlechter Kerl.«
»Er hat Ihnen geholfen. Nachdem Rodionow uns darüber aufgeklärt hatte, ging es nur noch darum, Rudi auf bestmögliche Art loszuwerden. Er wußte von dem Bild. Wir redeten ihm ein, mit der nötigen Expertise könnte er es auf eigene Kappe verkaufen. Von mir hat er dann eine Kopie bekommen. Borja sagte, wenn wir Rudi mit seinem Wagen in die Luft jagten, hätte Rodionow zugleich einen Grund, mit den Tschetschenen aufzuräumen.«
»Glauben Sie, daß Borja vorhatte, irgendwann einmal hierzubleiben und sich für immer in Boris Benz zu verwandeln?«
»Wo würden Sie lieber sein, in Moskau oder Berlin?«
»Als Sie auf dem Videoband sagten: >Ich liebe dich<, sagten Sie es also zu Borja.«
»Wir waren hier glücklich.«
»Und Sie waren bereit, Dinge für Borja zu tun, die seine Frau nie für ihn getan hätte - etwa, nach Moskau zurückzukehren und eine Bombe in Rudis Wagen zu deponieren. Ich habe mich gefragt, warum eine so wohlhabende Touristin in einem derart schäbigen, abgelegenen Hotel wie dem Sojus abstieg. Die Antwort war, daß es kein anderes Hotel gab, das so nahe am Schwarzmarkt lag. Sie brauchten also nur eine kurze Fahrt mit der Bombe zu machen, die schließlich keinen Zeitzünder hatte. Sie hatten Mut. Sie hätten leicht selbst in die Luft fliegen können. Das ist Liebe.«
Rita befeuchtete ihre Lippen. »Sie stellen mir dauernd Fragen, darf ich jetzt vielleicht auch mal?«
»Bitte.«
»Warum wollen Sie nichts über Irina wissen?«
»Zum Beispiel?«
Rita beugte sich vor, als wollte sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. »Was Irina davon gehabt hat. Glauben Sie, Max hätte ihr all die teuren Kleider gekauft und sie mit Geschenken überschüttet, nur weil sie eine gute Gesprächspartnerin war? Fragen Sie sich doch selbst mal, was sie bereit war, für ihn zu tun.«
Arkadi spürte, wie seine Haut zu glühen begann.
»Sie waren jahrelang zusammen«, sagte Rita. »Praktisch wie Mann und Frau. Wie Borja und ich. Ich weiß nicht, was sie Ihnen jetzt erzählt, ich sage nur, daß sie das, was sie für Sie tut, auch für ihn getan hat. Jede Frau würde das.«
Seine Ohren brannten. Die Wärme breitete sich über sein ganzes Gesicht aus. »Was wollen Sie damit sagen?«
Rita legte den Kopf auf die Seite. »Sie scheint Ihnen nicht alles erzählt zu haben. Männer wie Sie kenne ich nur zu gut. Sie brauchen eine Frau, die sie zur Göttin erheben können, und alle anderen sind Huren. Irina hat mit Max geschlafen. Er konnte gar nicht aufhören, damit anzugeben, was sie alles für ihn tun würde.« Rita gab ihm ein Zeichen, sich vorzubeugen, und sprach noch leiser. »Ich sag Ihnen, was er damit meinte, dann sehen Sie, wie Sie dastehen.«
Als Arkadi einen leichten Ruck am Griff fühlte, hob er die Tasche hoch. »Wenn Sie jetzt schießen, ist das Gemälde zerstört. Ich glaube nicht, daß die Versicherung dafür aufkommt«, sagte er.
»Verdammtes Schwein.«
Arkadi packte die Pistole, als sie über der Tischkante erschien. Es war Borjas.22er. Er drückte ihr Handgelenk nieder und entwand ihr die Waffe.
»Drecksau«, sagte Rita.
Borja hatte sie verraten, hatte sich nach Moskau abgesetzt und sie mit dieser kläglichen Pistole zurückgelassen.
Arkadi entfernte das Magazin und warf ihr die leere Waffe in den Schoß. »Du mich auch«, sagte er.
In einem Andenkenladen auf dem Flugplatz kaufte Arkadi ein Tablett und einen bestickten Baumwollschal. Auf der Toilette wickelte er das Bild in den Schal. Um das Tablett schlug er eine Schaumstoffolie und verstaute es in Ritas Segeltuchtasche. Dann gesellte er sich wieder zu Peter Schiller und Irina, die in einer Ecke des Transitraums saßen.
»Denkt an all die Bilder und Manuskripte, die seit siebzig Jahren konfisziert worden sind und vom Innenministerium und KGB irgendwo versteckt gehalten werden«, sagte Arkadi.
»Nichts wird weggeworfen. Dichter, Maler und Denker werden vielleicht durch einen Genickschuß liquidiert, aber ihre Werke werden in Kartons verpackt und in Kellern verwahrt, um eines Tages, wenn Rußland sich mit dem Rest der Welt zusammenschließt, als Errungenschaften des russischen Geistes wieder zu Ehren zu
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