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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Nahaufnahme. Silhouetten von Bergsteigern hoch oben auf einem Kamm. Treibende Wolken.
    Der Biergarten des Gasthauses. Geißblattwinden an einer gelb verputzten Mauer. Die enervierende Unbeweglichkeit von Bayern nach dem Mittagessen - bis auf eine Frau mit Sonnenbrille, die einen kurzärmeligen Pullover trug. Schnitt zu den Kondensstreifen eines Lufthansa-Jets.
    Arkadi fuhr noch einmal zu der Szene im Biergarten zurück. Die Qualität des Bandes schien die gleiche zu sein, aber die Stimme des Sprechers und die Musik fehlten plötzlich. Statt dessen war das Rücken von Stühlen und in der Feme Straßenlärm zu hören. Die Sonnenbrille war ein Fehler, in einem wirklich professionell gemachten Film hätte die Trägerin sie abgenommen. Er ließ noch einmal die gesamte Sequenz zwischen Alpenwanderung und Lufthansa-Jet durchlaufen. Die Wolken waren dieselben. Die Szene im Biergarten war eingefügt worden.
    Die Frau hob ihr Glas. Das blonde Haar umgab die breite Stirn und die noch breiteren Wangenknochen wie eine Mähne. Kurzes Kinn, mittelgroß, Mitte dreißig. Dunkle Sonnenbrille, goldenes Halsband, schwarzer, kurzärmeliger Pullover, wahrscheinlich aus Kaschmir - Kontraste, die eher aufreizend als im herkömmlichen Sinn hübsch wirkten. Rote Fingernägel, rote Lippen, halb geöffnet in der gleichen herausfordernden Art wie vor Tagen, als Arkadi sie durch das Wagenfenster gesehen hatte, einen Mundwinkel zu einem halben Lächeln hochgezogen. Ihr Mund sagte: »Ich liebe dich.« Die Worte waren ihr leicht von den Lippen abzulesen, denn sie sprach sie auf russisch.
     
    »Ich weiß nicht«, sagte Jaak. »Du hast sie besser gesehen als ich. Ich saß am Steuer.«
    Arkadi zog die Vorhänge zu, so daß sein Büro nur von dem flimmernden Licht des Biergartens erleuchtet wurde. Auf dem Bildschirm wurde ein Glas hochgehoben und durch die Pause-Taste auf dem Recorder festgehalten.
    »Die Frau in Rosens Wagen hat uns angesehen.«
    »Sie hat dich angesehen«, sagte Jaak. »Ich hatte die Straße im Auge. Wenn du glaubst, daß es dieselbe Frau ist, hab ich nichts dagegen.«
    »Wir brauchen Standfotos von ihr. Was ist los?«
    »Wir brauchen Kim oder die Tschetschenen, sie haben Rudi getötet. Rudi hat dir zu verstehen gegeben, daß sie es auf ihn abgesehen hätten. Wenn sie eine Deutsche ist und wir Ausländer in die Sache mit reinziehen, müssen wir den Kreis erweitern und mit dem KGB zusammenarbeiten. Und dann weißt du ja, wie das läuft: Wir strampeln uns ab, und die scheißen auf uns. Hast du die schon informiert?«
    »Noch nicht. Wenn wir mehr in der Hand haben.« Arkadi stellte den Monitor ab. »Was zum Beispiel?«
    »Einen Namen. Vielleicht eine Adresse in Deutschland.«
    »Du willst sie aus dem Fall raushalten?«
    Arkadi gab Jaak das Band. »Wir wollen sie nur nicht belästigen, bevor wir etwas Definitives haben. Vielleicht ist die Frau ja noch hier.«
    »Du hast Nerven wie Drahtseile«, sagte Jaak. »Eigentlich müßtest du scheppern beim Gehen.«
    »Wie ein Sack Schrott«, sagte Arkadi.
    »Die Scheißkerle würden ohnehin nur die ganze Anerkennung einheimsen.« Jaak nahm widerwillig das Videoband in Empfang, dann hellte sich sein Gesicht auf, und er schüttelte zwei Wagenschlüssel. »Ich hab mir Juljas Auto geliehen. Den Volvo. Wenn ich deinen Auftrag ausgeführt habe, fahre ich zum Lenin-Pfad-Kollektiv. Du erinnerst dich an den Lastwagen, wo ich das Radio gekauft habe? Möglich, daß sie was gesehen haben.«
    »Ich bringe dir das Radio wieder mit«, versprach Arkadi.
    »Bring es zum Kasan-Bahnhof. Ich treffe Juljas Mutter um vier in der Traumbar«. »Julja wird nicht da sein?«
    »Keine zehn Pferde würden sie zum Kasan-Bahnhof bringen. Aber ihre Mutter kommt mit dem Zug. Deswegen hat sie mir den Wagen geliehen. Meinetwegen kannst du das Radio behalten.«
    »Nein.«
    Als er allein war, öffnete Arkadi seinen Schrank und verschloß das Originalband im Safe. Er war früh ins Büro gekommen, um ein Duplikat anzufertigen. Wer litt hier eigentlich an Verfolgungswahn?
    Er öffnete das Fenster. Der Regen hatte aufgehört und verwischte Schmutzflecken an den Hoffenstern zurückgelassen. Am Himmel zeichneten sich feuchte Schornsteinköpfe wie weit aufragende Schaufeln ab. Ideales Wetter für ein Begräbnis.
     
    »Ein Jointventure«, sagte der Mann im Außenhandelsministerium, »erfordert eine Partnerschaft zwischen einer sowjetischen Institution - einer Kooperative oder einer Fabrik - und einer ausländischen Firma. Die Unterstützung

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