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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Sie werden kein Held mehr sein für Ihre Freunde. Niemand wird Ihren Warnungen, Sorgen und Informationen mehr Glauben schenken, denn auch hier wird man Sie für einen Flüchtling halten. Und Flüchtlinge lügen. Flüchtlinge tun alles, um das Land verlassen zu können. Nichts, was Sie sagen, wird mehr für wahr gehalten werden. Und eines kann ich Ihnen mit Sicherheit versprechen: Es wird Ihnen leid tun, je die Sowjetunion verlassen zu haben.«
    »Ich verlasse sie nur wegen dieses Falles«, sagte Arkadi.
    »Sehen Sie, Sie lügen bereits.« Albow ließ seinen Blick verständnisvoll auf Arkadi ruhen. Er schien sich zwingen zu müssen, seine Aufmerksamkeit wieder einem weniger interessanten Mann zuzuwenden. »Rodionow, Sie machen sich besser gleich an die Arbeit. Sie haben noch viel zu tun, wenn Sie sicherstellen wollen, daß Ihr Chefinspektor sein Flugzeug nicht verpaßt. Die nötigen Papiere, das Geld - alles an einem Tag.« Er wandte sich wieder Arkadi zu und fragte: »Wie wär’s denn, wenn Sie mit Aeroflot flögen?«
    »Lufthansa.«
    »Sie möchten mit einer Linie fliegen, bei der die Sicherheitsgurte funktionieren. Ich bin völlig Ihrer Meinung«, sagte Albow.
    Rodionow zog  sich  unauffällig zurück,  wobei er versuchte, einen Blick von Albow aufzufangen, einen anderslautenden Wink von ihm zu erhaschen. Unten auf der Straße hatten sich Minin und seine Männer verwirrt zu einer verloren wirkenden Gruppen zusammengeschart. »Gehen Sie«, sagte Albow.
    Er öffnete eine Packung Camel Light und zündete ein Streichholz für sich und Arkadi an. Er tat es in einer umständlichen Art und benutzte das letzte Flackern der Flamme, um das Zellophan zu entzünden, das er verbrennen und vom Morgenwind wegtreiben ließ. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Tor zu. Als sich die Sonne über die Wipfel erhob, schienen die Bäume auf beiden Seiten der Straße zu wachsen, sich grüner zu färben und verschiedene Stadien von Licht und Schatten zu durchlaufen. Das Licht, das um die Wachtürme kroch, war weiß wie der Widerschein eines Feuers. Gleichzeitig versank das Tor selbst in Dunkelheit und ragte finster vor den beiden Männern auf.
    Arkadi erinnerte sich an das, was Albow ihm über die Rückzahlung des Geldes gesagt hatte. »Werden Sie auch in München sein?«
    »Einige meiner besten Freunde leben in München«, sagte Albow.
     
    TEIL ZWEI
     
    MÜNCHEN
     
    13.-18. AUGUST 1991
    Federow, der Attache des Konsulats, der Arkadi vom Flughafen abgeholt hatte, wies auf die Sehenswürdigkeiten hin, als hätte er München selbst erbaut, die Isar gespeist, den Friedensengel vergoldet und die Zwillingstürme der Frauenkirche errichtet.
    »Das Konsulat hier ist neu, aber ich war in Bonn. Für mich ist das alles ein alter Hut«, sagte Federow.
    Nicht für Arkadi. Die Welt schien ihn wirbelnd zu umkreisen, voll von Lärm und unverständlichen Verkehrsschildern. Die Straßen waren so sauber, als wären sie aus Kunststoff. Fahrradfahrer in kurzen Hosen und gebräunt von der Sonne teilten die Straße mit vorbeifahrenden Bussen, ohne von den Rädern zermalmt zu werden. Die Fenster bestanden nicht aus verkrustetem Dreck, sondern aus Glas. Es gab keine Käuferschlangen vor den Geschäften. Frauen in kurzen Röcken trugen keine Einkaufsnetze, sondern bunte Taschen mit leuchtenden Firmennamen; sie schritten frei aus, bewegten Beine und Taschen in einem zielstrebigen, integrierten Rhythmus.
    »Ist das Ihr ganzes Gepäck?« Federow schaute auf Arkadis Reisetasche. »Wenn Sie zurückfliegen, werden Sie zwei Koffer bei sich haben. Wie lange bleiben Sie?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ihr Visum ist nur für zwei Wochen gültig.« Er suchte nach einem Zeichen, das ihm mehr über seinen Fahrgast verriet, aber Arkadi blickte auf die sauber gestrichenen Häuserfassaden, glatt wie Butter, mit Balkonen, die keine verwaschenen Flecken aufwiesen, mit Stuck, der nicht an den Rändern abbröckelte, und Türen, die keine Graffiti und Spuren mutwilliger Zerstörung trugen. Im Schaufenster einer Konditorei karjolten Marzipanschweinchen um Schokoladentorten herum.
    Federow verfügte über die vorsichtige Einstellung eines jungen Mannes, der ausgeschickt worden war, zweifelhafte Güter in Empfang zu nehmen, wobei allerdings immer wieder seine Neugier durchbrach. »Gewöhnlich haben wir ein Empfangskomitee und ein offizielles Programm, wenn jemand wie Sie ankommt. Ich möchte Sie warnen, daß nichts dergleichen für Sie vorbereitet

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