Das Labyrinth
ist.«
»Gut«.
Fußgänger warteten gehorsam bei rotem Licht, ob Verkehr war oder nicht. Bei Grün summten Schwärme von BMW vorbei. Die Straße führte in eine Allee von Villen mit Stufen, die von eisernen Toren und Löwen bewacht wurden. Leuchtschilder wiesen auf eine Kunstgalerie und eine arabische Bank hin. Der nächste Platz wurde von mittelalterlichen Fahnen mit verschiedenen Zunftzeichen gesäumt. Arkadi beobachtete einen Mann, der mit Lederhosen und wollenen Kniestrümpfen bekleidet war, trotz der Hitze.
»Ich verstehe einfach nicht, wie Sie so schnell ein Visum bekommen haben«, sagte Federow.
»Gute Freunde.«
Federow warf ihm einen Blick zu, denn Arkadi sah nicht aus wie ein Mann, der Freunde hatte.
»Nun, wie Sie es auch angestellt haben - Sie sind in der Schlagsahne gelandet«, sagte er.
Das Konsulat war ein achtstöckiges Gebäude in der Seidlstraße. Im holzgetäfelten Foyer standen Sessel aus blitzendem Chrom und schwarzem Leder. Hinter einer schußsicheren Glasscheibe befand sich die mit drei Fernsehmonitoren ausgestattete Rezeption. Federow schob Arkadis Paß in einen Schlitz unter dem Glas. Das Mädchen hinter der Scheibe sah russisch aus, vom Kopf bis zu den Fingernägeln, die lang und glänzend waren wie Perlmutt. Als sie ein Buch durch den Schlitz schieben wollte, sagte Federow: »Er braucht nicht zu unterschreiben.«
Er fuhr mit Arkadi in einem Lift bis zum dritten Stockwerk, führte ihn durch einen schmalen Flur an Büros und einem Konferenzsaal vorbei, in dem Kisten und noch in durchsichtigen Plastikhüllen verpackte Sessel abgestellt waren, und öffnete eine Metalltür mit einem Schild, auf dem in deutscher Sprache »Kulturelle Angelegenheiten« stand. Dahinter saß ein Mann mit grauem Haar, einem gutgeschnittenen westlichen Anzug und gerunzelter Stirn. Es gab nur zwei Stühle im Raum, und der Mann forderte Arkadi mit einem Kopfnicken auf, Platz zu nehmen.
»Ich bin Vizekonsul Platonow. Wer Sie sind, weiß ich«, sagte er zu Arkadi. Er machte keine Anstalten, ihm die Hand zu geben. »Das ist alles«, sagte er zu Federow, der unverzüglich den Raum wieder verließ und die Tür hinter sich schloß.
Platonow hatte die vorgebeugte Haltung eines Schachspielers. Er machte den Eindruck, als habe er ein Problem, ein unangenehmes zwar, aber sicher keines, das sich nicht in ein, zwei Tagen lösen ließe. Die Wände rochen scharf nach frischer Farbe. Ein unaufgehängtes Bild, eine Weitwinkelaufnahme von Moskau bei Sonnenuntergang, lehnte an der Wand neben der Tür. An der gegenüberliegenden Wand hingen Poster. Tänzer des Bolschoi- und Kirowballetts, Schätze der Waffenkammer des Kreml, ein Kreuzer auf der Wolga. Das übrige Mobiliar bestand aus einem Klapptisch, einem Telefon und einem Aschenbecher.
»Wie finden Sie München?« fragte Platonow.
»Es ist herrlich. Und wohl sehr reich«, sagte Arkadi.
»Es lag in Schutt und Asche nach dem Krieg. Schlimmer als Moskau. Das sagt viel über die Deutschen. Sprechen Sie Deutsch?«
»Ein bißchen.«
»Aber Sie sprechen es?« Platonow schien zu glauben, er nehme jemandem die Beichte ab.
»Während meiner Armeezeit war ich zwei Jahre in Deutschland stationiert. Ich habe die Amerikaner überwacht, aber dabei auch etwas Deutsch aufgeschnappt.«
»Also Deutsch und Englisch.«
»Nicht sehr gut.«
Platonow mußte Mitte sechzig sein, vermutete Arkadi. Ein Diplomat seit Breschnew? Dazu bedurfte es eines Mannes aus Gummi und aus Stahl.
»Nicht sehr gut?« Platonow verschränkte die Arme. »Wissen Sie, wie lange es gedauert hat, ehe wir hier ein sowjetisches Konsulat eröffnen konnten? München ist einer der bedeutendsten Industriestandorte Deutschlands.
Hier sitzen wichtige Investoren, die wir überzeugen müssen. Und wir sind noch nicht einmal richtig eingezogen, da haben wir schon einen Chefinspektor aus Moskau auf dem Hals? Sind Sie hinter jemandem aus dem Konsulat her?«
»Nein.«
»Das habe ich auch nicht angenommen. Gewöhnlich werden wir zurück nach Moskau beordert, bevor wir die schlechte Nachricht erfahren«, sagte Platonow. »Ich habe mich erkundigt, ob Sie vom KGB sind, aber dort ist man alles andere als an Ihnen interessiert. Andererseits legt man Ihnen auch keine Steine in den Weg.«
»Anständig von denen.«
»Nein, das ist verdächtig, und das Letzte, was man hier will, ist ein Schnüffler, den keiner kontrolliert.«
»Das ist auch meine Erfahrung«, gab Arkadi zu.
»Abgesehen vom Konsulatsstab gibt es kaum Russen in
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