Das Laecheln der Chimaere
lauter Ungeduld und Vorfreude hin und her trippelte. Seine Kinderstimme war laut und kräftig, und sein entschiedenes »ich ganz allein« bewies, dass Saljutows Enkel kein schüchternes Mauerblümchen war.
Marina sprang ins Schwimmbecken und hob ihren Sohn vom Beckenrand herunter. Während der Trainer das Schaumstoffbrett ins Wasser ließ und den Stab in die Öffnung steckte, hielt sie das Kind an den Armen fest, obwohl es sich die ganze Zeit loszureißen versuchte und lauthals forderte: »Ich will alleine, bi-itte, Mama!«
Dieser selbstständige Knirps gefiel Katja sehr. Der hatte Charakter, das spürte man. Dabei war er doch noch so ein kleiner Krümel! Wozu musste der überhaupt schon schwimmen lernen? Aber der Trainer und Marina hatten darüber offenbar eine andere Meinung. Marina ließ ihren Sohn los, der sich inzwischen wie ein Klammeräffchen in das Brett gekrallt hatte. Der Trainer zog ihn an der Stange vorsichtig durchs Wasser und wies ihn an, auf die »Beinarbeit« zu achten.
Der Kleine schwamm prustend und schnaufend, strampelte wie wild mit den Beinen und verspritzte jede Menge Wasser. Als er an Katja vorbeischwamm, verschluckte er sich plötzlich, ließ das Brett los und begann wild zu zappeln. Das Schaumstoffbrett wurde sofort von einer Welle fortgespült. Noch einen Moment, und das Kind wäre untergegangen wie ein Stein. Katja, die ihm näher war als seine Mutter, stieß sich mit einem Ruck vom Rand ab, packte den winzigen, weichen Körper von unten und drückte ihn an die Wasseroberfläche. Der jüngste Saljutow schnaufte und hustete: »Lass mich los! Ich tauche! Geh weg!«
Wie eine Kaulquappe schlüpfte er aus dem Griff ihrer Hände.
»Haben Sie keine Angst, ihm passiert schon nichts«, sagte Marina, die zu Katja geschwommen kam.
»Ich hab mich so erschrocken.« Katja holte tief Luft.
»Er kommt immer wieder hoch, wie ein Gummiball. Und er kann es gar nicht leiden, wenn man ihm helfen will, dann fängt er sofort an zu brüllen. Wir sind ja schon so selbstständig«, lächelte Marina und wandte sich an den Trainer: »Wassili Iljitsch, üben Sie bitte weiter mit Walerik. Ich mache mir inzwischen ein bisschen Bewegung.«
Der Trainer zog sich aus und sprang direkt vom Beckenrand kopfüber ins Wasser. Geduldig begann er, mit dem jüngsten Saljutow am Rand des Bassins »richtige Bewegungen im Wasser« einzuüben. Katja beobachtete Waleriks Mutter. Wie eine raublustige Schwalbe tauchte sie blitzschnell unter und ebenso leicht wieder auf. Ein gelenkiger, kräftiger, vollkommener Körper. Wie geschaffen für die Liebe. Saljutows ältester Sohn hatte einen exquisiten Geschmack, dachte Katja.
Ein junges Mädchen im Dress des Fitness-Klubs näherte sich dem Schwimmbecken – die Kinderanimateurin. Der Trainer reichte ihr den Kleinen aus dem Wasser hoch, und sie wickelte ihn in ein Frotteetuch. Die Schwimmstunde war zu Ende. Marina schwamm zu dem Mädchen, und sie besprachen etwas miteinander. Das Mädchen nahm den Kleinen an die Hand und führte ihn in den Umkleideraum.
Im Schwimmbecken begann inzwischen ein neues Programm: Wasser-Aerobic. Die Trainerin gab den drei molligen Damen, die zu den Übungen erschienen waren, aufblasbare Gürtel. Marina Saljutowa war in der Sauna verschwunden. Katja zögerte, ihr zu folgen. Sie war unsicher geworden. Nun waren sie schon eine volle Stunde geschwommen, aber sie hatte beim besten Willen keinen Vorwand für ein Gespräch finden können. Nicht einmal der Zwischenfall mit dem Kind hatte genutzt. Katja musste sich eingestehen: Die junge Witwe war aus anderem Holz geschnitzt als Egle Taurage. Unwillkürlich verglich sie die beiden Frauen: die zerbrechliche, weinende, betrunkene Egle, die so schüchtern und hilflos wirkte, und diese sonnengebräunte, durchtrainierte Löwin im supermodischen Badeanzug von Gaultier. Was war Nikita an ihr eigentlich so seltsam vorgekommen? Jedenfalls hatte die Witwe auf ihn offensichtlich großen Eindruck gemacht.
Shanna Basmanjuk kam eine Viertelstunde zu spät zum Verhör.
»Bitte entschuldigen Sie, mein Wagen wollte heute Morgen nicht anspringen. Ich musste ein Taxi nehmen.«
Ihre Stimme klang erregt, ihr Blick war gehetzt. Kolossow erhob sich höflich von seinem Schreibtischstuhl. Genau genommen war es ihre erste Begegnung, sah man einmal von dem Abend des »Betrunkenen Dame«-Turniers ab. Aber der zählte nicht wirklich. Außerdem . . . An jenem Abend hatte er, wenn auch nur flüchtig, eine extravagante, kühle Blondine mit einer
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