Das Laecheln der Chimaere
Aqua-Paradies eingeschlichen.
»Sagen Sie, Shanna Markowna, arbeiten Sie schon lange bei Waleri Wiktorowitsch?«, fragte Kolossow.
»Ziemlich lange«, antwortete Shanna.
»Waren Sie auch schon bei ihm zu Hause, kennen Sie seine Angehörigen?«
»Ja. Allerdings gehe ich dort nicht so ein und aus wie zum Beispiel Kitajew. Der gehört feist schon zur Familie, wie es sich übrigens auch für einen guten Wachmann ziemt. Aber ich kenne die Familie von Waleri Wiktorowitsch.« Shanna blickte Kolossow an. »Waleri Wiktorowitsch hat vor einigen Jahren seine Frau verloren. Er hat sich große Mühe gegeben, alles für das Haus und die Kinder zu tun. Leider passierte dann dieser tragische Unfall mit Igor . . . Nach Igors Tod hat sich alles verändert. Früher war es ein lebhaftes, fast schon etwas liederliches Haus, jetzt herrscht dort eine solch drückende, schwere Atmosphäre, dass . . .«
»Wieso war sein Haus liederlich?«, unterbrach Nikita, der sich an die Fotos von Saljutows Villa erinnerte, an die finstere, mit Stacheldraht gesicherte Steinmauer.
»Als die Söhne heranwuchsen, war das Haus ständig voll junger Leute. Der Älteste, Igor, war immer und überall Anführer, eine echte Stimmungskanone. Er war wirklich ein netter Kerl, wären nur diese Alkoholprobleme nicht gewesen. Dann hat er geheiratet, seine Frau Marina hat er sehr geliebt. Eine schöne Frau, aus guter Familie. Na, dann kamen wieder lauter junge Paare, dauernd wurde gefeiert, eine Party nach der anderen.«
»Heutzutage wollen die Kinder gewöhnlich für sich leben, vorausgesetzt natürlich, sie können es sich leisten.«
»Ja, aber ausgerechnet kurz vor Igors Hochzeit hatte Waleri Wiktorowitsch den Bau seines neuen Hauses in Iljinskoje fertig gestellt. Er hat eine Menge Geld investiert, aber es hat sich gelohnt. Es sollte für die ganze Familie sein. Und Marina, Igors Frau, wollte unbedingt dort wohnen. Sie war ganz begeistert von dem Haus. Kein Wunder!« Shanna schnaubte. »Waleri Wiktorowitsch hat sie nach Strich und Faden verwöhnt, mit Geschenken überschüttet. Regelrecht angebetet hat er sie. Zur Geburt seines ersten Enkels hat er ihr eine Brillantbrosche geschenkt. Er ist überhaupt ein sehr großzügiger Mann.«
»Ja, das habe ich bemerkt. Aber jetzt ist Saljutow wahrscheinlich über den Tod seines Sohnes sehr deprimiert?«
»Deprimiert ist gar kein Ausdruck! Er war ja die ganze letzte Zeit kaum zu Hause, können Sie sich das vorstellen? Manchmal hat er in seinem Büro im Kasino sogar übernachtet. Er hielt es zu Hause nicht aus, das hat er mir selbst gestanden. Alles dort erinnerte ihn an Igor . . . Es gibt nichts Schlimmeres, als den Sohn zu verlieren. Ich war bei Igors Beerdigung und erschüttert, wie schwer die Familie daran trug.« Shanna schüttelte den Kopf. »Und diese Alte raubt ihnen noch zusätzlich den letzten Nerv. . .«
»Diese Alte?«, fragte Nikita.
»Polina Sacharowna, Saljutows Tante. Sie hat ihn aufgezogen, seine Mutter hat er schon früh verloren. Soweit ich mich an sie erinnern kann, war sie früher eine ganz vernünftige Frau. Sie hat auch Saljutows Kinder großgezogen und sich um seine Frau Regina gekümmert, als die krank wurde, aber inzwischen . . . Wahrscheinlich fordert das Alter seinen Tribut, sie ist ja schon über achtzig.« Shanna erzählte jetzt bereitwillig, im Ton einer routinierten Klatschbase. »Stellen Sie sich vor, bei Igors Beerdigung fing sie auf einmal an, irgendwelchen Unsinn über einen alten Familienskandal zu schwätzen. Angeblich hätten die Eltern von Waleri Wiktorowitsch mit ihrer Heirat ihre Schwester in den Selbstmord getrieben. Allen Anwesenden war auch so schon schwer genug ums Herz, und dann kommt diese Alte mit ihren Tiraden – ein Fluch laste auf der Familie . . . Die Schwester habe vor ihrem Tod Saljutows Eltern und ihre ganze Nachkommenschaft verflucht. Wer will sich ausgerechnet bei einer Beerdigung so ein Zeug anhören? Kein Wunder, dass Waleri . . . Waleri Wiktorowitsch in den letzten Monaten kaum noch zu Hause war.«
»Wohnt Philipp jetzt auch nicht mehr in Iljinskoje?«, fragte Nikita.
»Es scheint so.« Shanna beugte sich tief über ihre Handtasche und suchte nach Zigaretten. »Aber ich . . . ich kenne seine Adresse nicht.«
Ich frage dich ja auch gar nicht danach, dachte Kolossow. Natürlich kennst du die Adresse. Aber eher würdest du dir die Zunge abbeißen, als sie zu nennen . . .
»Ich habe von Kitajew gehört, dass Saljutow seinem jüngeren Sohn vor einigen Monaten
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