Das Lächeln der Frauen
verlegen den Blick ab. »Ich hoffe, es ist
alles in Ordnung ... mit Ihrer Mutter«, sagte ich.
»Es
geht schon wieder. Sie ist von der Rolltreppe gestürzt und hat sich das Bein
gebrochen.« Er schüttelte den Kopf. »Gestern war nicht gerade mein Glückstag,
wissen Sie?«
»Da
sind wir ja schon zwei«, sagte ich.
Er
lächelte. »Es ist natürlich trotzdem unverzeihlich, daß ich Ihnen nicht
Bescheid gesagt habe.« Wir setzten unseren Weg fort, an den beleuchteten Schaufenstern
des Boulevards vorbei, und wichen einer Gruppe von Japanern aus, die von einer
Reiseleiterin mit einem roten Regenschirm durch die Stadt geführt wurde. »Wie
haben Sie eigentlich von der Lesung erfahren?«
»Eine
Freundin von mir wohnt auf der Île Saint-Louis«, sagte ich. »Sie hat das Plakat
gesehen. Und glücklicherweise habe ich montags meinen freien Tag.«
»Na,
Gott sei Dank«, sagte er.
Ich
blieb an einer Ampel stehen. »So«, sagte ich. »Hier trennen sich unsere Wege.«
Ich zeigte in Richtung Rue Bonaparte. »Ich muß jetzt hier rüber.«
»Gehen
Sie ins Restaurant?« André Chabanais blieb auch stehen.
»Sie
haben es erraten.«
»Irgendwann
komme ich auch mal ins Temps des Cerises«, sagte er. »Das ist wirklich
ein sehr romantisches Plätzchen.«
»Tun
Sie das«, entgegnete ich. »Vielleicht mit Ihrer Mutter, wenn sie wieder aus dem
Krankenhaus heraus ist.«
Er
zog ein Gesicht. »Sie gönnen mir auch gar keinen Spaß, was?«
Ich
grinste und die Ampel wurde grün. »Ich muß los, Monsieur Chabanais«, sagte ich
und wandte mich zum Gehen.
»Warten
Sie, sagen Sie mir noch, ob es irgend etwas gibt, womit ich mein Versäumnis
wieder gut machen kann«, rief er, als ich den Zebrastreifen betrat.
»Lassen
Sie sich etwas einfallen!« rief ich zurück. Dann lief ich über die Straße und
winkte ihm noch einmal zu, bevor ich den Weg zur Rue Princesse einschlug.
»Was
machst du eigentlich an Weihnachten«, fragte Jacquie, als ich ihm in der Küche
bei der Zubereitung des Bœuf Bourguignon half, das heute auf dem Menu
stand. Paul, der Sous-Chef, war zwar wieder gesund, aber er kam heute etwas
später.
Wir
hatten das Fleisch portionsweise in zwei Pfannen angebraten, damit es schön
bräunte, und jetzt tat ich es in den großen Bräter und stäubte etwas Mehl
darüber.
»Keine
Ahnung«, sagte ich. Erst in diesem Moment wurde mir bewußt, daß es das erste
Weihnachten sein würde, an dem ich wirklich allein war. Eine seltsame
Vorstellung. Auch das Restaurant hatte ab dem dreiundzwanzigsten Dezember
geschlossen und machte erst wieder in der zweiten Januarwoche auf. Ich rührte
mit einem Holzlöffel in dem Topf und wartete, bis sich das Mehl mit dem Fett
verband. Dann goß ich den Burgunder darüber. Der Wein zischte kurz auf, der Geruch
des kräftigen Rotweins schlug mir angenehm entgegen, dann köchelten die
Fleischstücke in der dunklen Sauce.
Jacquie
kam mit den geschnittenen Karotten und den Pilzen zu mir und strich das Gemüse
von dem großen Holzbrett.
»Du
könntest mit in die Normandie kommen«, sagte er. »Ich bin bei meiner Schwester,
die hat eine große Familie, und an Weihnachten geht es immer sehr turbulent zu,
es kommen gute Freunde vorbei, Nachbarn ...«
»Das
ist sehr lieb von dir, Jacquie, aber ich weiß nicht ... Ich habe mir eigentlich
noch gar keine Gedanken gemacht. Dieses Jahr ist sowieso alles anders ...«
Ich
merkte, wie ich plötzlich einen Kloß im Hals hatte, und räusperte mich. Jetzt
nur nicht sentimental werden, das führt zu gar nichts, befahl ich mir streng.
»Ich mach's mir schon irgendwie gemütlich. Ich bin ja schließlich kein kleines
Mädchen mehr«, sagte ich und sah mich im Geiste schon einsam vor meiner Bache
de Noel sitzen, dieser köstlichen Schokoladen-Biskuitrolle, die an
Weihnachten gerne zum Nachtisch gereicht wird und die Papa immer mit großem
Trara auf den Tisch brachte, wenn alle bereits sagten, sie würden gleich
platzen vom großen Weihnachtsschmaus.
»Für
mich wirst du immer das kleine Mädchen bleiben«, sagte Jacquie und legte seinen
schweren Arm um meine Schultern. »Mir wäre es irgendwie wohler ums Herz, wenn
du mit ans Meer kommst, Aurélie. Was willst du hier allein in Paris, wo es
immer nur regnet? An Weihnachten ist es nicht schön, allein zu sein.«
Er
schüttelte besorgt den Kopf, und seine weiße Kochmütze wackelte bedrohlich.
»Ein paar Tage diese herrlich klare Luft und ein paar Spaziergänge am Strand
würden dir gut tun. Außerdem habe ich versprochen
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