Das Lächeln der toten Augen
vermasselt.« Sie schluchzte.
Alex nahm sie in den Arm. »Du hast überhaupt nichts vermasselt. Wir waren gestern sechzehn Stunden unterwegs. Wir waren beide todmüde. Das ist doch ganz normal.«
»Aber es wäre doch so naheliegend gewesen!«, klagte sie. »Wenn ich nur richtig überlegt hätte …«
»Dann stünden wir kein bisschen besser da, oder? Was glaubst du, wie viele Flugzeuge täglich über die Nordsee fliegen. Ich hätte wahrscheinlich genauso reagiert wie du. Wir sind alle keine Supermenschen und das hier ist kein Spielfilm.«
»Aber …«
»Ach was, du hast dir überhaupt nichts vorzuwerfen«, bekräftigte Alex und streichelte ihr sanft über die Haare.
*
Trevisan stand in der Asservatenkammer und fuhr mit der flachen Hand über die Schneide des Schwertes. Tinas Anruf hatte ihn erreicht. Die Fahndung war mittlerweile eingestellt. Trevisan dachte an den ersten Besuch bei den Halbermanns, als er die Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbracht hatte. Wie sollte es jetzt weitergehen? Halbermann und dessen Frau waren tot, doch die Ermittlungen in Sachen Mike Landers und Maria Souza da Marques waren noch nicht abgeschlossen. Außerdem war da der Kopf des immer noch unbekannten Toten. Noch gab es also einige Rätsel zu lösen, doch die einzige Zeugin, die Licht ins Dunkle hätte bringen können, war beim Absturz des Flugzeuges gestorben. Trevisan war sich sicher, dass Elisabeth Halbermann ihr Schweigen gebrochen hätte, wenn er ihr die Fakten unter vier Augen dargelegt hätte.
»Pass auf, die Schneide ist scharf«, sagte Horst Klein-Schmidt und kletterte von seiner Leiter. Aus dem oberen Regal hatte er einen Karton geholt. Er enthielt eine Vase, die aus Halbermanns Villa stammte. Offenbar war sie ebenfalls gestohlen und gehörte zu einer privaten Kunstsammlung in der Schweiz.
Trevisan legte das Schwert zur Seite und half Kleinschmidt, den Karton zu öffnen. Gemeinsam verglichen sie die Fotografie mit dem Original.
»Bingo«, sagte Kleinschmidt. »Wieder einen Artikel verkauft.«
Trevisan nickte und griff erneut nach dem langen Schwert. »Hast du das eigentlich schon an den Mann gebracht?«
Kleinschmidt lächelte. »Museum of Celtic Art in Arhus.«
Trevisan hielt den Griff in beiden Händen. »Das ist verdammt schwer, meinst du, damit könnte man einen Kopf abschlagen?«
»Scherzbold«, entgegnete Kleinschmidt. »Was glaubst du eigentlich, wofür dieses Ding geschmiedet wurde? Das ist ein restauriertes keltisches Richtschwert. Die Grundsubstanz stammt noch aus den guten alten Tagen. Damit wurden reihenweise Köpfe abgeschlagen. Die kannten früher noch keine Bewährung«, witzelte Kleinschmidt.
Trevisan war wie vom Donner gerührt. »Hast du es schon auf Blutspuren untersucht?«
»Willst du mich verarschen?«
»Nein, ich meine es ernst«, erwiderte Trevisan. »Wir haben ja schließlich auch einen Kopf gefunden.«
25
Die warme Luft lag wie ein Schleier über der Stadt und heizte den Konferenzraum im zweiten Stock des Polizeigebäudes auf. Die Fenster waren geöffnet, doch nichts bewegte sich. Die Blätter der Birke vor dem Fenster hingen schlaff und leblos herab. Manche hatten schon den bräunlichen Ton des bevorstehenden Herbstes angenommen. Der Lärm des Feierabendverkehrs drang von draußen herein.
Während seine Mitarbeiter sich erschöpft auf ihren Stühlen lümmelten, stand Trevisan am Fenster. Die Menschen in den Straßen hasteten nach Hause, um endlich ihren Büros und Fabriken zu entkommen. Seit zwei Tagen war es für den Norden Deutschlands ungewöhnlich heiß. Sogar der sonst so verlässliche Wind, der fast immer über die Küste strich, war ausgeblieben. Trevisan strich sich über die Stirn, hinter der sein Gehirn fieberhaft arbeitete. Alle Gedanken kreisten um Simon Halbermann, der vor zwei Tagen mit seinem Flugzeug abgestürzt war. Gemeinsam hatten Trevisans Mitarbeiter und er versucht, das Rätsel um den Tod des jungen Mike Landers zu lösen, doch kaum hatten sie sich ein kleines Stück der Wahrheit genähert, waren schon wieder neue Fragen aufgetaucht. Sie hatten ihre Erkenntnisse und Neuigkeiten ausgetauscht und waren keineswegs schlauer als zuvor. Im Gegenteil, alles schien nur noch verwirrender.
Wer war Simon Halbermann wirklich gewesen? Was war er gewesen? Ein Mensch mit einem unstillbaren Heißhunger auf Kunstgegenstände und wertvolle Artefakte. Ein Ungeheuer, das für die Erfüllung seiner Pläne über Leichen ging?
Ein überfüllter Bus hielt gegenüber an der
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