Das Lächeln der toten Augen
Schließlich sagte sie mit gedämpfter Stimme: »Sie müssen mir versprechen, dass Sie niemandem etwas erzählen.«
»Mein Wort darauf«, versicherte Monika.
»Näher kenne ich Frau Glasic natürlich nicht. Aber ich war schon einmal bei ihr. Wissen Sie, es gibt hier auf der Insel nicht gerade einen Männerüberschuss. Viele wandern ab und suchen sich Arbeit in den Städten, solange sie noch konkurrenzfähig sind. Ich bin hier geboren und aufgewachsen und werde wohl hier auch beerdigt. Es ist für eine Frau nicht leicht, alleine zu sein.«
Monika Sander verstand. »Sie waren also bei ihr?«
»Ich habe es mit Zeitungsanzeigen versucht«, erklärte die Angestellte. »Aber das bringt nicht viel. Ja, ich bin zu ihr hingegangen. Doch es war irgendwie komisch.«
»Komisch?«
Der Bildschirmschoner aktivierte sich. Ein Bild der Chippendales mit nackten Oberkörpern erschien. Till zog die Augenbraue nach oben.
Schnell tippte die Frau auf die Leertaste, bevor sie weitererzählte. »Ich hatte zuvor im Internet nachgeschaut, was ich alles brauche, also steckte ich ein Bild von mir in meine Tasche und schrieb einen Lebenslauf. Doch Frau Glasic ließ mich einfach abblitzen.«
»Abblitzen, wie meinen Sie das?«
»Eine Vermittlung kostet an die 2000 Euro«, berichtete die Frau. »Das steht auf der Homepage. Außerdem steht da noch, dass sie Menschen jeden Alters und jedes Geschlechts vermitteln. Aber das stimmt alles nicht. Frau Glasic sagte mir, dass sich ihr Institut nur um einen speziellen Personenkreis kümmere. Deswegen könne sie mir nicht helfen. Ich hatte sogar die Anzahlung von 1000 Euro auf den Tisch gelegt. Aber die Frau schickte mich einfach weg.«
»Das ist sehr ungewöhnlich«, bestätigte Monika. »Ich meine, Sie sind eine junge Frau, sehen gut aus, das wäre doch leicht verdientes Geld.«
Die Angestellte lächelte verlegen.
»Hat Frau Glasic gesagt, um welchen Personenkreis sie sich vorwiegend kümmert?«, fragte Monika.
»Nein, aber ich glaube, sie arbeitet nur noch mit Frauen aus dem Osten«, entgegnete die städtische Angestellte. »Manche sagen, dass sie Frauen in das Rotlichtmilieu vermittelt. Es waren auch junge Mädchen darunter. Alles Ausländerinnen.«
»Gibt es dafür irgendwelche Beweise?«, mischte sich Till Schreier ein.
»Beweise nicht direkt, aber Gerüchte.«
»Entschuldigen Sie, aber Gerüchte alleine reichen nicht«, sagte Monika.
»Ich weiß, aber der alte Helmers hat einmal erzählt, dass er eine Frau in Bremen wiedergetroffen hätte, die drei Monate bei der Glasic gewohnt hatte.«
Monika Sander horchte auf. »Helmers, wer ist das?«
»Das ist ein alter, kauziger Kerl. Er spielt in der Hautklinik den Hausmeister. Er sagt auch, dass der Persson niemals Gärtner sein kann.«
»So, wie kommt er denn darauf?«, fragte Monika.
»Vor zweieinhalb Jahren wurde die Außenanlage des renovierten Anbaus der Klinik neu gestaltet. Helmers stand ganz schön unter Stress. Er fragte mich, ob ich denn niemanden wüsste, der ihm bei der Arbeit helfen könne. Gegen Bezahlung natürlich. Ich schickte ihn zu Persson, der hing damals eigentlich nur herum, deshalb dachte ich mir, er würde ein kleines Zubrot nicht ablehnen. Er half auch ein paar Tage, aber dann schickte ihn Helmers nach Hause. Später beschwerte er sich bei mir, der könne noch nicht einmal einen Flieder von einem Rosenbusch unterscheiden.«
»Wo können wir Herrn Helmers jetzt finden?«, fragte Monika.
»Bestimmt in der Klinik. Er wohnt auch dort.«
Till warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Dann müssen wir uns beeilen, wenn wir die Fähre noch erreichen wollen.«
Monika nickte, packte ihr Notizbuch wieder ein und erhob sich. »Sie haben uns sehr geholfen«, sagte sie.
»Aber bitte, das mit dem Heiratsinstitut muss unter uns bleiben«, bekräftigte die junge Frau.
»Das ist doch selbstverständlich«, entgegnete Monika und reichte ihr die Hand.
*
Tina hatte es eilig. Sie hatte den Dienstwagen direkt vor der kleinen Abfertigungshalle im Halteverbot abgestellt und hetzte in das rotverklinkerte Gebäude. Alex hatte Mühe, ihr zu folgen. Den ganzen Weg über hatte sie geschwiegen, nur hin und wieder ein paar sudelige Flüche von sich gegeben. Sie sprach den erstbesten Mann an, der ihnen begegnete und seinem ölverschmierten Overall nach zu urteilen wohl zum Flughafenpersonal gehörte, und fragte ihn nach einem Ansprechpartner, der ihr über die hiesigen Flugzeuge und Flugbewegungen Auskunft erteilen konnte. Der Mechaniker
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