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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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nicht, wo er sich herumtreibt. Ich bin gestern Abend noch bei ihm vorbeigegangen, aber er war nicht zu Hause. Es war überhaupt niemand zu Hause.«
    »Na gut, dann lass uns ablegen. Ich glaube, der kriegt sich schon wieder ein. Das braucht nur etwas Zeit«, antwortete Jochen, ehe er sich am Tau zu schaffen machte. Kurze Zeit später schipperten die drei Jungs auf dem kleinen Jollenkreuzer aus dem Hafen.
    *
    Trevisan saß unruhig auf einer schwarzen Ledercouch im Wohnzimmer der Halbermanns. Das Zimmer war geschmackvoll eingerichtet. Der Vitrinenschrank aus Buche enthielt seltsame kleine Figürchen aus Halbedelsteinen, daneben in einer weiteren Vitrine waren Familienfotos in stilvollen, goldenen oder silbernen Rahmen ordentlich aufgereiht. Gegenüber an der Wand hing ein übergroßes Ölgemälde. Es zeigte ein abstraktes Gemisch aus Farbe, das sich kreisförmig um ein weißes Zentrum schmiegte. Je weiter die Farben sich vom Zentrum entfernten, desto dunkler wurden sie. An den Rändern herrschte tiefste Finsternis. Je länger Trevisan auf das Bild starrte, desto mehr gewann er den Eindruck, die Farben würden sich um dieses Zentrum bewegen. Die Schwärze und Dunkelheit schienen die frohen und hellen Farben einzuschließen, um sie immer mehr in die Enge zu treiben. Trevisan wandte den Blick ab, doch das Bild schien ihn zu verfolgen, anzuziehen wie ein Magnet. Es war mindestens doppelt so groß wie der Kandinsky-Druck, der in seinem Wohnzimmer eine Wand zierte.
    Trevisan erhob sich und trat näher an das Bild heran. Kleine weiße Linien durchbrachen das tiefdunkle Schwarz am unteren Bildrand. Trevisan musste sich konzentrieren, um die Schrift lesen zu können. Das Universum/Adrian Lug.
    »Entschuldigen Sie, aber ich musste noch telefonieren«, ertönte es in seinem Rücken. Trevisan fuhr herum.
    Simon Halbermann stand im Zimmer. Er trug einen korrekt sitzenden Anzug, doch die Blässe in seinem Gesicht zeigte, dass ihn die Nachricht vom Tod seines Sohnes erschüttert hatte.
    »Meine Frau schläft jetzt. Der Arzt ist noch bei ihr.«
    Simon Halbermann ließ sich in den Sessel fallen. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.
    »Setzen Sie sich doch!«, durchbrach Simon Halbermann die Stille. Die Worte klangen nicht wie eine Einladung, eher wie ein Befehl. Trevisan nickte und ging hinüber zur Couch.
    »Ich kann es nicht fassen«, sagte Halbermann mehr zu sich selbst. »Der Junge. Ich habe ihm doch alles gegeben. Mehr noch sogar, einen festen Glauben, eine Zukunft, wo findet man das heute noch. Und dann wirft er einfach alles weg.«
    Trevisan blickte Halbermann ins Gesicht. Einen Augenblick lang hatte er den Eindruck, Gefühlsregungen wie Fassungslosigkeit und Schwäche bei Simon Halbermann zu entdecken. Sekunden später hatte Halbermanns Gesicht wieder die harten und unnahbaren Züge angenommen.
    »Bis wann können wir mit der Beerdigung rechnen?«, fragte Halbermann sachlich.
    »Die Ermittlungen sind abgeschlossen. An der Selbsttötung bestehen keine Zweifel. Ich denke, dass Sie bis morgen mit der Freigabe des Leichnams rechnen können.«
    »Gut, dann werde ich alles vorbereiten.«
    Trevisan nickte zögerlich. »Es wäre da noch eine Frage.«
    Halbermann blickte Trevisan hochmütig an.
    »Uns beschäftigt nach wie vor das Motiv. Was bringt einen jungen Menschen dazu, sich das Leben zu nehmen?«, fragte Trevisan vorsichtig.
    »Er ist tot. Was gibt es da noch zu sagen?«, erwiderte Halbermann barsch.
    »Wir fanden einen Abschiedsbrief. Nicht viel, nur ein paar Zeilen. Kann es sein, dass er eine Freundin hatte?«
    »Was soll diese Frage!«
    »Gab es in der letzten Zeit irgendwelche Vorfälle, hat er sich ungewöhnlich verhalten, Ärger in der Familie, in der Schule oder mit Freunden?«
    »Herr Trevisan, was wollen Sie überhaupt? Mein Sohn hat sich erhängt. Er selbst kennt den Grund dafür. Genügt das nicht? Ich glaube, die Unterredung ist an dieser Stelle beendet«, sagte Halbermann brüsk. Er erhob sich und ging zur Tür.
    »Er hat in seinen letzten Zeilen von Ihnen gesprochen. Es ist eine Art Anklage. Er spricht davon, dass Sie ihm etwas weggenommen haben, das ihm sehr wichtig erschien. In seiner Geldbörse fand ich ein Bild, das Sven mit einem Mädchen zeigt. Ein dunkelhäutiges Mädchen. War das der Grund für einen Streit? Haben Sie ihm verboten, sich weiter mit seiner Freundin zu treffen?« Trevisan konnte Halbermanns abweisende Haltung nicht verstehen.
    »Gehen Sie bitte. Verlassen Sie mein Haus!«, zischte

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