Das Lächeln der toten Augen
Vielleicht war es das Beste, Paula mit der gleichen Ignoranz zu begegnen, die sie an den Tag legte, wenn sie böse auf ihn war. Er zog seine Jacke über und verließ das Haus.
Wenige Minuten später parkte er seinen Wagen vor dem Forty-Niners, seiner Stammkneipe. Seit einigen Monaten hatte es sich eingebürgert, dass er sich mittwochs mit Peter Koch traf, um ein Bier zu trinken.
Peter saß schon am Tresen und beobachtete ihn, bis er den Stuhl neben ihm erreicht hatte. »Oho, du bringst eine gehörige Portion Ärger mit.«
Trevisan blickte ihn verwundert an. »Sieht man das?«
»Na, zumindest kann ich es sehen.«
Trevisan setzte sich und bestellte ein Bier.
»Nun sag schon, was ist los?«, fragte Peter. »Ärger im Geschäft?«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Paula«, antwortete er.
Piet, der Wirt, stellte ein schlankes Pilsglas vor Trevisan auf den Tresen. Dankbar griff Trevisan danach und trank einen kräftigen Schluck.
Schließlich wischte er den Schaum vom Mund und stellte das Glas geräuschvoll zurück.
»Es muss eine gewaltige Portion Ärger sein, die du hinunterzuspülen versuchst«, sagte Peter und schaute auf das Glas. Es war zur Hälfte geleert.
»Ich weiß bald nicht mehr, was ich tun soll«, antwortete Trevisan, bevor er Peter von seinem Problem berichtete.
9
Er rannte um sein Leben und die Verfolger waren ihm dicht auf den Fersen. Doch er hatte einen Vorteil: Er kannte sich hier aus. Der Banter See und das angrenzende Hafenviertel bargen keine Geheimnisse für ihn. Er wusste, dass er schnell sein musste. Bestimmt würde die hölzerne Tür bald unter der Wucht ihrer Schläge nachgeben.
Mike Landers rannte den langen Gang entlang und kletterte durch das mannsgroße Loch im Boden. Eine Stiege mit eisernen Sprossen führte hinab in die Dunkelheit. Noch bevor er unten angekommen war, hörte er, wie die Tür splitterte. Sie waren drinnen!
Noch hatten sie ihn nicht. Er selbst hatte das Abflussrohr erst vor einer Woche entdeckt. Und das, obwohl sie seit Monaten fast Tag für Tag in diesem Schuppen zugebracht hatten, um das ehemalige Büro zu einem gemütlichen Zimmer umzubauen. Das Rohr führte direkt ans Wasser und bot genügend Platz, dass ein Mensch – gebückt zwar, aber dennoch einigermaßen bequem – das Seeufer erreichen konnte.
Mike Landers hastete weiter. Geräusche drangen zu ihm herunter, doch er konnte sie nicht zuordnen. War es ein Schrei, ein Rufen gewesen? Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er rannte weiter, bis er den Einstieg zum Abflussrohr erreichte. Vorsichtig ließ er sich hinuntergleiten. Für einen Augenblick baumelten seine Beine in der Luft. Mit den Händen klammerte er sich fest und holte Schwung. Er hatte es mehr als einmal getan. Es war, als liefe ein Programm in ihm ab, jede Bewegung war automatisiert. Dann ließ er los.
Er landete auf seinen Beinen und war froh, wieder festen Boden unter seinen Füßen zu haben. Hierher würden sie ihm bestimmt nicht folgen. Sie würden den Einstieg niemals finden. Sein Herz raste und das Blut pochte in den Schläfen. Trotz keimte in ihm auf. Er lehnte sich gegen sein Schicksal auf. So leicht würde er sich nicht geschlagen geben. Vielleicht steckte doch mehr von seinem Vater in ihm, als er geglaubt hatte. Vater war immer ein Draufgänger gewesen, hatte ihm seine Mutter oft erzählt, wenn er nach ihm fragte. Aber er hatte immer geglaubt, er käme mehr nach seiner Mutter.
Seine Lunge schmerzte, als er im Entengang durch den Tunnel hastete. Es stank entsetzlich und die Dunkelheit setzte ihm zu. Er mochte gar nicht daran denken, durch welchen Unrat er sich hier nach draußen ins Freie kämpfte. Bestimmt wurde er bereits von Rattenhorden begleitet. Sonderbar, auf welche Gedanken er kam, angesichts der Situation. Doch eines wusste er genau: Er rannte um sein Leben.
Tageslicht empfing ihn, als er sich mit den Händen auf dem feuchten und schmierigen Stein um eine Biegung tastete. Er sank nieder und atmete tief durch.
*
Der Motor der Cessna 152R surrte in einem gleichmäßig hellen Ton. Der Tower von Mariensiel hatte die Starterlaubnis erteilt und Simon Halbermann schaute auf die grünlich schimmernden Instrumente seines Cockpits.
Neben Pilot und Copilot fanden noch zwei Passagiere im schlanken Leib der Maschine Platz, doch dort, wo sich sonst die Fluggäste in ihre engen Sitze zwängten, war eine silbrig glänzende Urne festgezurrt: die sterblichen Überreste von Sven Halbermann.
Die Formalitäten waren erledigt. Es war
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