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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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nicht leicht gewesen, eine Genehmigung für eine Überführung nach Dänemark zu erhalten, doch Simon Halbermann hatte all seinen Einfluss geltend gemacht. Und er hatte einen beträchtlichen Einfluss in der Stadt. Schließlich beschäftigte er in seiner Firma über vierhundert Menschen.
    Elisabeth Halbermann saß auf dem Sitz des Copiloten und blickte mit versteinerter Miene auf die hell erleuchtete Startbahn. Ihre Augen waren noch immer gerötet. Die Beruhigungsmittel taten das ihrige, um sie vor einem erneuten Ausbruch ihrer Gefühle zu bewahren. Mit stoischer Ruhe wartete sie, bis Simon Halbermann den Schubregler langsam in Richtung Volllast schob und gleichzeitig die Bremsen löste. Die Maschine rollte vorwärts. Das Brummen des Motors wurde lauter und immer schneller drehten sich die Reifen auf dem feuchten Asphalt.
    Eine Stunde vor dem Abflug hatte es zu regnen begonnen. Irgendwie passte es zur Situation. Auch Elisabeth war seit Tagen nur noch zum Weinen zumute. Der Schmerz saß tief und fraß sich tief in ihr Gehirn. Doch noch ein anderes Gefühl bahnte sich seinen Weg. Hass. Hass gegenüber ihrem eigenen Mann, der so gefühllos und eiskalt mit dem Tod seines einzigen Kindes umgehen konnte. Der seinen Sohn auch jetzt im Tod noch kaltherzig behandelte. Sie wusste, dass er Sven für einen Versager hielt, doch er selbst hatte ihn in den Tod getrieben.
    »Wir sollten ihn hier in unserer Nähe beerdigen«, sagte Elisabeth Halbermann kraftlos, als sich der schlanke Körper der Cessna in den Himmel aufschwang.
    »Wir haben darüber geredet. Fang nicht schon wieder damit an«, entgegnete Simon Halbermann schroff und zog das Handrad zu sich heran.
    Elisabeth Halbermann entspannte sich. Sie hatte keine Kraft mehr für einen erneuten Streit.
    *
    Sie hatten alles abgesucht. Zweimal hatten sie den Schuppen durchkämmt, doch sie hatten keine Spur von ihm gefunden. Gleichwohl spürte der Blonde, dass der Junge nicht weit gekommen sein konnte. Er musste irgendwo in der Nähe sitzen. Wahrscheinlich hielt er sich versteckt, bis er die beginnende Dunkelheit als Deckung zum Entkommen nutzen konnte. Doch darauf würde der Blonde sich nicht einlassen. Ein Versagen konnte er sich nicht leisten. Er war das Schwert, und er wusste, was einem Versager drohte.
    Sie saßen in ihrem Wagen und beobachteten den Schuppen und die einsame Straße, die zur Rüstringer Brücke führte. Nichts entging ihren aufmerksamen Blicken. Langsam breitete die Dunkelheit ihre Schwingen über der Stadt aus. Regen setzte ein.
    Der Junge saß in der Falle. Nur zwei Wege gab es, daraus zu entkommen. Zwei Brücken, die hinüber in die Stadt führten, zwei Wege, die er gehen konnte, doch eigentlich nur einen einzigen Ausweg. Noch nie war ihnen jemand entkommen, den sie ins Visier genommen hatten.
    Die Straßenlaternen erglühten und verströmten ein warmes, gelbes Licht. Sie erhellten den Hafendamm entlang der Straße.
    »Wir lassen den Wagen hier«, sagte der Blonde in die Stille des Abends. »Ich gehe vor zum Handelshafen und beziehe Posten zwischen den beiden Brücken. Du bleibst hier beim Wagen. Aber stell dich draußen auf. Er soll dich ruhig sehen.«
    Der Dunkelhaarige nickte stumm, griff in seine Jackentasche und holte eine Packung Zigaretten hervor.
    Lautlos verließ der Blonde den Wagen und schlich sich entlang der Industriestraße bis zur Telefonzelle an der Rüstringer Brücke. Er trug einen dunklen Anzug und hatte sich eine Wollmütze über seine hellen Haare gezogen, die ihn vor den Regentropfen schützte. Bevor ihn die Dunkelheit verschluckte, drehte er sich noch einmal zu dem Schuppen um. Er war überzeugt davon, dass der Junge sich noch immer darin versteckt hielt, in irgendeiner Nische, die sie übersehen hatten. Doch irgendwann würde er auftauchen.
    Keiner hielt auf Dauer diesem Druck stand.
    *
    Mike Landers zitterte am ganzen Körper. Seine Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. Seine Kleidung war durchnässt und die feuchten Haare hingen ihm wirr in die Stirn. Mit dem Regen war die Kälte vom Wasser aus über das Land gezogen. Die Temperaturen waren rasch gesunken. Doch es war nicht die Kälte, die langsam in seinem Körper von den Beinen bis tief in seinen Kopf kroch. Es war die nackte Angst. Ihm war klar: Wenn sie ihn erwischten, dann wäre sein Leben keinen Pfifferling mehr wert.
    Draußen war es bereits dunkel geworden. Der Regen hatte aufgehört. Der Temperatursturz ließ milchige Schwaden über das Wasser der See gleiten. Langsam

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