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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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schwebten sie auf das Land zu. Er würde noch warten. Es war noch zu früh. Auch wenn er bereits seine Zehen nicht mehr spürte. Bis zu den Knöcheln stand er im kalten Wasser.
    Wo waren sie nur? Saßen sie noch immer im Schuppen? Warteten sie nur darauf, dass er sich aus seinem Versteck an die Oberfläche tastete? Bestimmt hatten sie vor dem Schuppen Posten bezogen. Oder standen sie an den Brücken, um ihm den Fluchtweg abzuschneiden, bis Verstärkung kam? Halbermann war reich. Multimillionär, wie es hieß. Er konnte sich bestimmt eine ganze Horde von Helfershelfern leisten.
    Mike Landers fuhr sich mit der Hand durch die feuchten Haare. Er saß in einem Loch und war gefangen. Wie eine Ratte in der Falle. Was sollte er tun? Und wie sollte es danach weitergehen? Er konnte nicht zurück nach Hause. Dort war er nicht sicher. Diese Kerle waren eiskalt und bewaffnet. Zur Polizei konnte er ebenfalls nicht. Erpressung ist ein schweres Verbrechen, hatte Tommy gesagt, als Mike seine Freunde mit dem letzten Wunsch von Sven Halbermann konfrontiert hatte.
    Er überlegte fieberhaft. Langsam reifte ein Plan in ihm, wie er zumindest für heute Nacht diesem Albtraum entkommen konnte. Tommy musste ihm dabei helfen. Er war der Einzige mit einem Führerschein und einem eigenen Wagen. Bei ihm konnte er sicher auch unterkommen. Innerlich fluchte er, weil er sein Handy nicht mitgenommen hatte. Es hing zu Hause an der Ladestation. Hier im Hafengebiet gab es drei Telefonzellen. Die Zelle an der Rüstringer Brücke schied aus. Die hätten sie bestimmt im Blick. Die zweite Zelle in Klein Wangerooge funktionierte nicht mit Münzen. Aber von der am Grodendamm konnten sie nur wissen, wenn sie sich zuvor im Hafen genau umgeschaut hatten. Das war seine Chance.
    Mike Landers kramte in seinen Hosentaschen. Er hatte immer ein paar Münzen einstecken. Das Geld klimperte leise. Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen, doch er fühlte genügend Münzen, um ein Ortsgespräch führen zu können.
    Doch damit alleine war ihm immer noch nicht geholfen. Er durfte Tom nicht in die gleiche Gefahr bringen, in der er selbst schwebte. Er brauchte ein Ablenkungsmanöver. Etwas, das die Männer aus dem Hafengebiet vertreiben würde oder zumindest kurze Zeit in Deckung zwang.
    *
    Trevisan hatte sein zweites Bier bestellt und ebenso rasch geleert wie das erste. Peter Koch hatte ihm aufmerksam zugehört und nur ab und zu den Kopf geschüttelt. Guter Rat war teuer.
    »Ich kann dir eigentlich nur empfehlen, noch einmal mit deiner Paula zu reden«, sagte er, während er mit seinem Glas spielte. »Die Kids halten sich doch heute schon mit zwölf für erwachsen. Und nun kommst du, und versuchst sie mit deiner väterlichen Autorität in ihre Schranken zu weisen. Da ist doch klar, dass sie ausflippt. Vielleicht hast du alles ganz falsch angefangen.«
    Trevisan stellte geräuschvoll sein Bierglas auf den Tisch und blickte auf. »Jetzt mach aber mal ’nen Punkt«, antwortete er barsch. »Der Kerl ist ein Knacki. Da kann ich doch nicht seelenruhig zuschauen.«
    Peter Koch zuckte mit den Schultern. »Dann hättest du es gar nicht so weit kommen lassen dürfen. Ich meine, wenn sie sich heimlich mit jemandem trifft, dann liegt es vielleicht auch daran, dass sie genau weiß, wie du reagieren wirst.«
    »Du meinst, ich bin zu nachlässig?«
    »Zu nachlässig …«, wiederholte Peter Koch. »Ich meine: Du gehst deiner Arbeit nach und sie ist den ganzen Tag allein. Sie ist es gewohnt, ein selbstständiges Leben zu führen. Sie geht ihren eigenen Weg und will sich dabei nicht von ihrem Vater gängeln lassen. Hast du dir das schon einmal überlegt?«
    »Ich habe nun mal diesen Beruf und meine Frau ist mir davongelaufen und hat unsere Tochter bei mir zurückgelassen«, antwortete Trevisan verschnupft. »Ich alleine trage für sie die Verantwortung. Ich musste mein Leben vollkommen neu organisieren und Paula darin integrieren. Das war nicht immer leicht. Würde Tante Klara nicht in unserer Straße wohnen, dann wäre es noch schwieriger. Es blieb mir überhaupt keine andere Möglichkeit, als Paula zur Selbstständigkeit zu erziehen. Was hätte ich tun sollen? Ich liebe meine Tochter.«
    Trevisan nahm einen großen Schluck und hob das leere Glas in die Höhe. Piet, der Wirt, nickte Trevisan zu.
    »Weißt du«, fuhr Trevisan fort, »es ist eine Zwickmühle. Ich muss Paula zur Einsicht bringen, ohne meine Autorität als Vater auszuspielen. Ich seh doch in meinem Beruf, wohin so was führt.

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