Das Land am Feuerfluss - Roman
von ihrem Lächeln und der zarten Berührung ihrer Lippen.
Hugh Morgan war daran gewöhnt, von den Kindern der Aborigines beobachtet zu werden, die anscheinend fasziniert waren vom Krankenhaus und dem, was er und seine Familie dort taten. Obwohl sie ständig wie Kakadus schnatterten und oft im Weg standen, machte es ihm überhaupt nichts aus.
Marys Brut bildete da keine Ausnahme. Ihre sechs Jüngsten drängten sich um sie, als er ihr einen Glassplitter aus dem Fuß zog und einen Verband anlegte. Mary, klein und stämmig, mit dürren Beinen und Armen und derart dunkler Haut, dass sie das Licht nicht reflektierte, war Billy Blues Tante. Ihre Augen und das zerzauste Haar waren hell; ihr breites Gesicht wies Stammeszeichen und tiefe Furchen der Entbehrung auf. Weder Hugh noch Mary hatte eine Ahnung, wie alt sie war, doch sie konnte offensichtlich noch immer Kinder gebären, denn es war wieder eines unterwegs, was nach Hughs Schätzung insgesamt zwölf ergeben würde.
Er betrachtete die Patientin streng. »Sie haben da eine schlimme Schnittwunde. Sie müssen den Verband sauber halten und morgen zur Kontrolle wiederkommen.«
Grinsend wedelte Mary mit dem verbundenen Fuß, damit die Kinder ihn bewundern konnten, bevor sie wieder den Arzt anschaute. »Ich kriegen Stock?«
Er betrachtete ihre Füße und nickte, bevor er in einen Schrank griff. Mit Krücken wäre ihr besser gedient, aber sie waren alle verloren gegangen und neue noch nicht eingetroffen. Er suchte zwei stabile Stöcke aus und reichte sie ihr. »Die hätte ich gern zurück, Mary. Geben Sie sie nicht den Kindern zum Spielen.«
»Ich behalten Stöcke«, erwiderte sie und sah ihn verschmitzt an. »Gut für schlagen Kinder und Alten hindern, wenn er gig-gig machen will.« Sie kreischte vor Lachen, und die Kinder, die an ihren derben Humor gewöhnt waren, kicherten mit.
Hugh half ihr beim Aufstehen. Die Kleinen schwärmten um sie herum, als sie vorsichtig auf einem Bein balancierte und die Stabilität der Stöcke testete. Er beobachtete, wie sie sich auf die Veranda hinausschwang und die Treppe hinunter in das grelle Licht des Spätnachmittags humpelte.
Die Kinder folgten ihr und imitierten ihren unbeholfenen Gang, woraufhin sie gutmütig mit einem Stock nach ihnen ausholte, bevor sie die Lichtung überquerte und verschwand.
Hugh lächelte matt, drehte sich um und begann, das Behandlungszimmer zu säubern, froh, dass keine Patienten mehr da waren. Der Tag hatte sich hingezogen, und Hugh hatte bei der Hitze seinen Schlafmangel nicht ausgleichen können. Inzwischen war der Schmerz im Brustkorb wieder da, und Hugh sehnte sich nach seinem Bett.
Zaghaft klopfte es an die Tür. »Verzeih, Hugh, komme ich zu spät?«
Er drehte sich um. Sal Davenport stand auf der Schwelle, wie üblich in einem hellen Rock und einer hübschen Bluse. Die Haare quollen unter einem Strohhut hervor und fielen ihr über die Schultern. Sein freudiges Lächeln erstarb, als er eine klaffende Wunde in Sals Wange und eine Schwellung am Auge entdeckte. »Komm rein, Sal«, sagte er resigniert. »Du kennst den Ablauf ja.«
Sal und Bert hatten das Dog and Drover übernommen, nachdem Sals Eltern sich vor zwanzig Jahren in einen Bungalow an der Ostküste zurückgezogen hatten. Sal war eine schlanke, geschäftige kleine Frau Anfang vierzig, die sich rote Strähnen in die zerzausten schwarzen Locken färbte, klimpernden Schmuck trug und nur selten ohne Lächeln angetroffen wurde – selbst wenn ihr anzusehen war, dass Bert sie mal wieder geschlagen hatte.
Hugh mochte sie sehr, denn offenbar ging ihr nie die Energie aus, obwohl sie die Arbeit im Pub übernahm, wenn Bert sich auf der anderen Seite der Bar mit den Gästen betrank. Obwohl sie kein Blatt vor den Mund nahm und Widerstand leistete, wurde Sal im Lauf der Jahre zu einer regelmäßig wiederkehrenden Patientin, und Hugh fragte sich zum x-ten Mal, warum eine so patente Frau auch nur daran gedacht hatte, einen solchen Dreckskerl wie Bert Davenport zu heiraten – und erst recht, bei ihm zu bleiben.
»Ich bin gestürzt und mit dem Kopf auf dem Tresen aufgeschlagen«, behauptete sie, um seinen Fragen zuvorzukommen.
»Allem Anschein nach fällst du oft und schlägst irgendwo auf, Sal.« Er reinigte die Wunde und prüfte, ob der Wangenknochen nicht erneut gebrochen war. »Vielleicht solltest du mal deine Augen untersuchen lassen?«
»Mit meiner Sehkraft ist alles in Ordnung, Hugh«, erklärte sie nüchtern. »Ich bin nur ungeschickt auf die
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